Anne Gracie
tonlos.
Schweigend
betrachteten sie das Pferd, bis es außer Sicht war. Nell erschauerte.
„Ist dir
kalt?“, fragte er betreten.
„Ein
wenig.“
Er öffnete
ein Fach in der Kutschenwand und zog eine Pelzdecke heraus, die er Nell
umlegte. Sie kuschelte sich hinein und schloss die Augen, ihn und alles andere
um sich herum ausschließend.
Verdammt,
verdammt, verdammt, dachte Harry. So viel also dazu, nichts überstürzen zu wollen.
Für die
Nacht machten sie
in Marlborough halt. Harry hatte einen Stallburschen vorausgeschickt, um den
Pferdewechsel an den verschiedenen Poststationen auf dem Weg zu beschleunigen.
Auch hatte er ihn eine Unterkunft im Castle Inn reservieren lassen, einem
Herrenhaus, das noch vor wenigen Jahren die Residenz des Duke of Somerset
gewesen war.
Es war
schon dunkel, als sie vorfuhren, und die Lichter des Gasthauses wirkten
einladend. Der Stallbursche hatte eine große Suite für sie zugewiesen bekommen,
mit einem Wohnzimmer, mehreren herrlich ausgestatteten Schlafzimmern und
weiteren Räumen für die Bediensteten.
Lady
Gosforth verschmähte jegliches Essen und Trinken und zog sich umgehend in ihr
Schlafzimmer zurück, dicht gefolgt von Bragge.
„Für sie
ist der Abend damit beendet“, erklärte Harry, als er Nells besorgte Miene
bemerkte. „Meiner Tante ist nach Reisen immer ein wenig unwohl, aber ihre Zofe
weiß genau, was sie dagegen tun muss.“
Sie setzten
sich zu Tisch. „Du hattest recht“, sagte Nell plötzlich. Harry, der gerade
ein Kalbsmedaillon anschnitt, sah auf. „Womit?“
„Du
sagtest, es würde mir guttun zu reden, und damit hattest du recht. Ich war erst
ziemlich aufgewühlt, aber seit ich ein wenig geschlafen habe, merke ich, dass
es mir viel besser geht. Das sollst du wissen.“
Ich weiß
überhaupt nichts, dachte Harry, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt,
das Thema wieder zur Sprache zu bringen.
Man
servierte ihnen eine köstliche Mahlzeit, bestehend aus einer dampfenden
Ochsenschwanzsuppe, den Kalbsmedaillons, Nierchen und einem Stück Quittenkuchen
mit Schlagsahne zum Nachtisch. Während des Essens plauderten sie über
belanglose Themen und beschlossen anschließend, früh schlafen zu gehen, damit
sie am nächsten Morgen frühzeitig wieder aufbrechen konnten.
Nell
untersuchte die Tür zu ihrem Schlafzimmer. „Es gibt gar kein Türschloss!“,
rief sie aus.
„Das ist
auch nicht nötig“, erklärte Harry. „Dieser ganze Bereich hier ist privat
und vom Rest des Gasthauses abgetrennt.“ Sie wirkte immer noch beunruhigt.
„An der
Tür, die zum anderen Teil des Gasthauses führt, ist ein Schloss. Wir sind hier
vollkommen sicher“, beschwichtigte er.
Sie biss
sich unglücklich auf die Unterlippe, sagte aber nur: „Dann wünsche ich dir eine
gute Nacht.“ Und damit zog sie sich zurück.
Mitten in der Nacht wurde Harry durch ein
Geräusch geweckt. Er lauschte, dann hörte er es wieder. Jemand ging leise
durchs Wohnzimmer. Einbrecher?
Er stand
auf, griff nach seiner Pistole und öffnete lautlos seine Schlafzimmertür. Er
spähte in die Dunkelheit, nur schwach erhellt von der Glut des erlöschenden
Feuers im Kamin. Aus dem Augenwinkel nahm er eine geisterhafte Gestalt war und
er erstarrte vorübergehend, doch dann bewegte die Gestalt sich wieder. Es war
kein Gespenst, sondern Nell in einem langen weißen Nachthemd. Er legte die
Pistole weg.
„Was ist
los?“, fragte er leise.
Sie
beachtete ihn nicht, sondern tappte barfuß durch das Zimmer zur Tür.
Er folgte
ihr. „Nell, was hast du?“
Sie
murmelte etwas, das er nicht verstehen konnte.
„Was hast
du gesagt?“, flüsterte er. Er wollte seine Tante und die anderen nicht
wecken.
Wieder
murmelte sie etwas Unverständliches
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