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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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ich es vermutlich nicht besser verdient. Bedecke die goldgefüllten Truhen mit Teppichen.
    Im Haus liegen haufenweise kleine persische Brücken.
    Sieh nur im oberen Stockwerk nach. Und hüte den Schrein!«

    »Ich werde alles tun, was du verlangst, und noch mehr.«
    »Das habe ich gehofft. Ein Mann, der nicht lügen kann, kann auch nicht stehlen. Mir wird die Sonne hier unerträglich. Geh zu den Mädchen. Sie warten schon.«
    Ich wandte mich zum Gehen.
    Er hielt mich auf, indem er um mich herumlief und sich vor mich hinstellte.
    »Herrin, es gibt da noch etwas, das ich Euch sagen muss.«
    »Was denn?«, fragte ich mit drohender Miene. »Doch nicht etwa, dass du ein Eunuch bist! Eunuchen haben keine solche Arm- und Beinmuskulatur wie du!«
    »Nein, das nicht«, sagte er. Dann wurde er plötzlich ganz ernst. »Ovid, Ihr erwähntet Ovid. Ovid ist tot. Er starb vor zwei Jahren in dieser unmöglichen Stadt Tomis am Schwarzen Meer. Es war ein elendes Exil, ein barbarischer Vorposten.«
    »Niemand hat es mir gesagt. Empörend, dieses Schweigen!« Ich bedeckte mein Gesicht mit den Händen.
    Die Palla rutschte herunter. Er fing sie auf. Ich merkte es kaum. »Wie habe ich gebetet, Tiberius möge Ovid die Rückkehr nach Rom erlauben!« Ich redete mir ein, dass ich nicht die Zeit hätte, mich damit aufzuhalten. »Ovid.
    Jetzt ist keine Zeit, um ihn zu weinen …«
    »Seine Bücher gibt es hier bestimmt in Massen«, sagte Flavius. »In Athen bekommt man sie jedenfalls ganz leicht.«
    »Gut, vielleicht findest du Zeit, ein paar für mich zu be-sorgen. Also, ich gehe jetzt; Haarnadeln oder gelöster Zopf oder ein ständig rutschender Umhang, es kümmert mich nicht. Und schau nicht so besorgt. Wenn du das Haus verlässt, schließ die Mädchen einfach genauso ein wie das Gold.«

    Als ich mich endlich umwandte, war er schon unterwegs zu den beiden Mädchen; er bewegte sich recht anmutig. Die Sonne huschte in hübschen Kringeln über seinen muskulösen Rücken. Sein Haar war braun und lockig, fast wie mein eigenes. Er blieb einen Augenblick stehen, als ihn ein Händler mit einem Arm voll billiger Tuniken, Umhängen und Krimskrams anrempelte –
    höchstwahrscheinlich gestohlenes Gut, so schlecht ge-färbt, dass die Farbe beim ersten Regen auslaufen wür-de, aber wer weiß? Bei dem kaufte er eilig eine Tunika und zog sie sich über den Kopf, außerdem erwarb er einen breiten roten Gurt, den er sich um die Taille legte.
    Welch eine Verwandlung! Die Tunika bedeckte die Oberschenkel zur Hälfte. Sicherlich war es für ihn eine große Erleichterung, als er endlich etwas Sauberes an-hatte. Ich hätte daran denken sollen, ehe ich ihn gehen ließ. Dumm von mir.
    Ich bewunderte ihn. Nackt oder bekleidet, solche Schönheit und Würde konnte man nur ausstrahlen, wenn man einmal sehr geliebt worden war. Er war eingehüllt in diese ihm einst bewiesene Zuneigung, für die auch das elfenbeinerne Kunstbein ein Zeichen war.
    So kurz unser Zusammentreffen auch war, es hatte für immer ein festes Band zwischen uns geschmiedet.
    Er begrüßte die Mädchen. Die Arme um sie gelegt, führte er sie aus dem Gedränge.
    Ich ging geradewegs zum Isis-Tempel, und damit machte ich wissentlich den ersten sicheren Schritt in eine Unsterblichkeit, die dem Diebesgut glich, in eine unverdiente, ruhmlose Übernatürlichkeit, ein ewig währendes und völlig sinnloses Verhängnis.

    5

    Kaum hatte ich das Tempelgelände betreten, umringten mich mehrere reiche Römerinnen und begrüßten mich herzlich. Sie waren alle sorgfältig geschminkt, mit wei-
    ßem Puder auf Gesicht und Armen, korrekt nachgezoge-nen Augenbrauen und Lippenrot – all die Details, die ich am Morgen verpfuscht hatte.
    Ich erklärte ihnen, dass ich, obwohl nicht unbemittelt, auf mich allein gestellt sei. Sie waren sofort bereit, mir auf jede nur erdenkliche Art zu helfen. Als sie hörten, dass ich tatsächlich in Rom initiiert worden war, erstarr-ten sie fast vor Ehrfurcht.
    »Unserer Mutter Isis sei Dank, dass du nicht entdeckt und hingerichtet wurdest«, sagte eine der römischen Frauen.
    »Geh doch und sprich mit der Priesterin«, empfahlen sie.
    Viele von ihnen hatten an den geheimen Ritualen noch nicht teilgenommen, sondern warteten darauf, von der Göttin zu diesem bedeutenden Ereignis gerufen zu werden.
    Hier waren auch noch viele andere Frauen, einige aus Ägypten, einige aus Babylonien, das konnte ich nur raten. Edelsteine und Seide waren bei ihnen an der Tages-ordnung. Goldene Borten in

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