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Annebelle - sTdH 2

Annebelle - sTdH 2

Titel: Annebelle - sTdH 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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ihr werfen konnte.
    Sie schien
sehr lange auszubleiben. Annabelle ging ungeduldig im Zimmer auf und ab und
fragte sich, ob das Mädchen es wohl gewagt habe, ihr zu trotzen.
    Gerade, als
sie erneut läuten wollte, kam Betty zurück. Sie trug eine Tasse mit Kräutertee.
»Tut mir leid, daß es so lange gedauert hat, Miss«, sagte sie, »aber Miss
Minerva wies mich an, Ihnen das zu bringen, und so mußte ich in die Küche
gehen und warten, bis der Tee fertig war.«
    »Und?«
fragte Annabelle mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen.
    »Seine
Lordschaft ist in der Bibliothek.«
    »Danke,
Betty«, gurrte Annabelle. »Du kannst dieses ekelhafte Gebräu auf den Tisch
stellen und gehen. Warte! Du hast Minerva doch nicht gesagt, daß ich Lord
Brabington suche?«
    »Nein,
Miss«, antwortete Betty und beäugte sie argwöhnisch. »Dann behalt es für dich,
sonst wird es dir schlecht bekommen. Steh nicht da und glotze! Geh jetzt!«
    Annabelle
nahm die Tasse mit Kräutertee, öffnete das Fenster und schüttete den Tee in den
Schnee. Dann studierte sie sorgfältig ihr Spiegelbild, straffte ihre Schultern
und machte sich auf, das Herz des Marquis von Brabington zu erobern.
    Schade, daß
es in der Bibliothek sein muß, dachte Annabelle mit einem plötzlichen Anflug
von Schmerz. Irgendwie schien dieser Raum ihr kein Glück zu bringen.
    Der Marquis
saß in einem Ohrensessel am Kamin und las in einem Buch. Der weiße Widerschein
des Schnees draußen ließ sein blasses Gesicht noch bleicher erscheinen. Er
blickte nicht auf, als Annabelle leise die Tür öffnete, und sie studierte ihn
einige Sekunden lang, ehe sie näher trat.
    Er hatte
nichts von der eingeübten Eleganz seines Freundes Sylvester. Er wirkte
kraftvoll und männlich. Seine Hände, die das Buch hielten, waren breit und
stark, ganz anders als die weißen Hände Lord Sylvesters mit den langen Fingern.
Und er hatte auch nichts von der kühlen, spöttischen Manieriertheit des Lords,
die ihr Herz schneller schlagen ließ.
    Annabelle
hustete leise, und sofort ließ der Marquis sein Buch sinken.
    »Ach, Miss
Annabelle«, rief er aus, erhob sich mühsam und klammerte sich an die
Sessellehne, um sich zu stützen.
    »Bitte,
bleiben Sie sitzen, Mylord«, sagte Annabelle. »Sie sind nicht gesund.«
    Er sank in
den Sessel zurück und grinste kläglich. »Ich gestehe, daß ich schwach wie eine
junge Katze bin. Was führt Sie hierher?«
    »Ich kam zu
Ihnen, Mylord«, sagte Annabelle sanft. »Ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht
vorlesen.«
    »Meine
Sehkraft ist nicht beeinträchtigt«, sagte er leicht amüsiert. »Zum Glück, denn
sonst könnte ich den schönen Anblick nicht würdigen, den Sie bieten.«
    »Danke,
Mylord«, sagte Annabelle und knickste höflich.
    »Trotzdem«,
lächelte er, »würde es mir großes Vergnügen bereiten, Ihre Stimme zu hören, und
ich gestehe, daß ich mich gern von einem hübschen Mädchen verwöhnen ließe.«
    Annabelle
zog einen Stuhl heran, setzte sich neben ihn und streckte ihre Hand nach dem
Buch aus.
    »Briefe!« sagte
sie. Sie hatte auf einen Roman gehofft.
    »Ich finde
sie sehr interessant«, sagte der Marquis. »Sie stammen von einem Mr. Edward
Burt, der im vorigen Jahrhundert General Wades Agent war. Er beschreibt das
schottische Hochland sehr gut. Ich bin nie bis zu den schottischen Bergen nach
Norden vorgedrungen, und seine Reisen faszinieren mich.«
    Annabelle
ergab sich. »Wo soll ich anfangen?« fragte sie.
    »Dort.
Brief XXII. Er beginnt mit: ›Die gewohnte Tracht‹. «
    Er lehnte
sich in seinen Sessel zurück, und Annabelle begann zu lesen.
    »›Die
gewohnte Tracht der durchschnittlichen Hochländer ist für das Auge alles andere
als angenehm; sie legen einen kleinen Teil des Plaid
genannten karierten Wolltuchs in Falten und gürten ihn sich um die Taille wie
einen kurzen Rock, der die halben Schenkel bedeckt. Der Rest wird über die
Schultern gelegt und vorne unter dem Hals befestigt, häufig mit einer Gabel,
manchmal auch mit einer Nadel oder einem angespitzten Stück Holz, so daß sie
beinahe aussehen wie die armen Frauen in London, wenn sie sich ihr Gewand über
den Kopf streifen, um sich vor dem Regen zu schützen.
    So
tragen sie ihr Plaid und haben manchmal nichts sonst, um sich zu bedecken; oft
sind sie barfüßig; manche habe ich aber auch mit einer Art Schuhen aus roher
Kuhhaut gesehen, wobei das Fell nach außen getragen wird. Wenn diese Schuhe
schlecht gearbeitet sind, sehen die Füße des Trägers aus wie die eines

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