Annebelle - sTdH 2
Möchtest du lieber warten?«
Der Marquis
wollte natürlich nicht warten. Er war sehr verliebt, so verliebt, daß er es
unterließ, sie darauf hinzuweisen, daß sie während seines zehn Sekunden
dauernden Heiratsantrags gar keine Zeit gehabt hatte, mit ihm über die Umstände
der Hochzeit zu sprechen.
Seine Krankheit
hatte ihm viel von seiner Vernunft und seinem Humor geraubt, und so war er ein
wenig aus der Fassung geraten. Er war früher schon verliebt gewesen, zu einer
Zeit, zu der er weder Titel noch Geld hatte. Die Dame hatte seine Gefühle
ermutigt, um ihn dann zugunsten eines ältlichen Lords zu verlassen. Eine Woche
vor ihrer Hochzeit hatte er seinen Titel und sein Vermögen erhalten und war
entsetzt gewesen, als sie bei ihm erschien, ihm sagte, sie habe immer nur ihn
geliebt, und ihn bat, sie vor einer Ehe ohne Liebe zu bewahren. Ihre Motive
waren nur allzu offenkundig. Seit damals hatte er sich auf seine Karriere bei
der Armee konzentriert und Damen der Gesellschaft mit einem gewissen
reservierten Amüsement betrachtet.
Doch
Annabelle hatte ihn in einem schwachen Moment erwischt. Gewiß, er war vom
ersten Augenblick an, in dem er sie gesehen hatte, von ihr entzückt gewesen,
doch unter normalen Umständen hätte ihm seine natürliche Vorsicht geraten, sich
nicht allzu hastig in eine Ehe zu stürzen.
Außerdem
beruhigte ihn die Tatsache, daß sein Freund, Lord Sylvester, in die gleiche
Familie einheiraten würde. Er vertraute Sylvesters kühlem Urteil und hielt sich
nie mit dem Gedanken auf, aus demselben Nest könnten zwei verschiedene Vögel
kommen.
Er war der
Kriege und Abenteuer müde und darauf bedacht, sich niederzulassen. Er hatte
sich allerdings damit abgefunden, zuerst eine Runde der Londoner Vergnügungen
absolvieren zu müssen, da er es als unfair betrachtete, seiner jungen Braut all
die Genüsse vorzuenthalten, die er selbst inzwischen eher ermüdend fand.
Lord
Sylvester hatte ihm träge gratuliert und dann das Thema der Heirat seines
Freundes nicht mehr berührt. Der Marquis nahm dieses Schweigen für Zustimmung.
Er wäre sehr erstaunt gewesen, wenn er gewußt hätte, daß Lord Sylvester äußerst
besorgt war.
Was Minerva
betraf, so hatte der Familiensinn über die Vernunft gesiegt, und sie
versicherte Lord Sylvester, Annabelle empfinde tiefe Liebe für den Marquis.
Lord
Sylvester wollte Minerva gerne glauben. Doch da war eine Sache, die
ihr zu sagen er sich nicht überwinden konnte.
Er war sich
nur zu deutlich der Vernarrtheit Annabelles in ihn bewußt. Und obwohl er
meinte, das werde rasch vergehen, konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren,
Annabelle sei eifersüchtig auf Minerva und heirate Peter nur aus
schwesterlicher Rivalität.
Der Marquis
hatte geplant, Haeter Abbey zur gleichen Zeit wie Annabelle zu verlassen, doch
er war von seinem Regiment vorgeladen worden, um
bei einer Untersuchung der Zulänglichkeit oder Unzulänglichkeit der
Armeerationen auszusagen, und er war zu sehr Soldat, um aus persönlichen
Gründen um seine Freistellung zu bitten.
Lord
Sylvester hattes es eilig, auf seine eigenen Güter zurückzukehren, da er
seiner Braut eine Hochzeitsreise durch die Länder versprochen hatte, die nicht
unter Napoleons Herrschaft geraten waren.
Annabelle
hatte sich an das Leben in Haeter Abbey gewöhnt. Es kam ihr vor wie das Leben
in einem sehr vornehm ausgestatteten Dorf.
Sie hatte
alles erforscht, von den prächtigen Staatszimmern im Inneren bis zu
Kornspeicher, Molkerei, Ställen, Töpferei, Tischlerwerkstatt, Gartenanlagen,
Wirtschaftsgebäuden und Wildpark draußen. Das Pfarrhaus
erschien ihn in der Erinnerung sehr dunkel, klein und dumpf. Doch Minerva hatte
einen Brief von Mrs. Armitage erhalten. Sie klagte bitter über ihre durch die
beschwerlichen Pflichten angegriffene Gesundheit.
Auch
Deirdre und Daphne machten Schwierigkeiten. Sie hatten das preisgekrönte
Schwein des Farmers Baxter in eines von Fredericas Kleidern
gesteckt und über die Dorfwiese getrieben. Zum Glück war das geschehen, als ihr
Vater in Haeter Abbey war. So war sein Zorn nicht ganz so schrecklich gewesen,
als wenn er zu Hause gewesen wäre.
Jetzt war
der Vikar wieder in Hopeworth, und für die Mädchen wurde es ebenfalls Zeit zur
Rückkehr. Annabelle hatte Minerva gebeten, ihren
Aufenthalt zu verlängern, doch Minerva hatte darauf hingewiesen, daß die
Herzogin ihre Gegenwart nicht einen Tag länger gutheißen würde, und sie selbst
für ihren Teil wollte nicht bleiben, wenn ihr Verlobter
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