Annebelle - sTdH 2
seine Abreise
vorbereitete.
Und so
machten sich die beiden Schwestern an einem bitter kalten Tag auf die
Heimreise. Der Schnee war getaut und wieder gefroren und wieder getaut und
gefroren, so daß die Straßen voll tückischer, harter Furchen waren. Das
Dienstmädchen Betty hatte sich eine schwere Erkältung zugezogen und würde
später nachfolgen.
Die
Hochzeit sollte in St. George's am Hanover Square in London stattfinden, und
zwar mit allem Pomp und Staat. Annabelle durfte kaum damit rechnen, daß die
Herzogin ihr ein Brautkleid stellen würde, und quälte sich mit der
Befürchtung ab, Minerva, die Brüsseler Spitzen im Wert von mehreren tausend
Guineen tragen würde, könne sie in den Schatten stellen.
Während die
Kutsche dahinrumpelte, warf sie einen Seitenblick auf Minervas nachdenkliches
Gesicht. »Froh, nach Hause zu kommen, Merva?« fragte sie.
»Ja, vor
allem weil Sylvester auch abreist«, sagte Minerva ruhig. »Es wird nicht mehr
lange dauern, bis wir beide verheiratet sind, Bella. Ich wünschte, es wäre
keine so große Hochzeit. Ich wäre am liebsten zu Hause in der Kirche von Papa
getraut worden, doch Ihre Gnaden bestand auf einer großen Londoner Hochzeit,
und Sylvester meinte, es sei ganz gleich, wo wir heiraten, wichtig sei nur, daß
wir überhaupt heiraten.«
»Hochzeiten
in der Kirche sind ganz und gar unmodern«, sagte Annabelle naserümpfend. »Wir
hätten beide in Haeter Abbey heiraten können. «
»Das könnten
wir kaum tun, da Vater Geistlicher ist«, gab Minerva zu bedenken.
»Oh, für
dich ist es einfach, all das so ruhig auf dich zukommen zu lassen«, versetzte
Annabelle. »Du wirst sehr vornehm aussehen in dem großartigen Kleid, das die
Herzogin dir gibt. Aber was soll ich tragen? Ein Kleid von der
Dorfschneiderin?«
»Aber ich
dachte, Peter hätte dir gesagt ...«, begann Minerva.
»Lord
Brabington für dich«, sagte Annabelle, um sich dafür zu rächen, daß Minerva sie verbessert hatte, als sie Lord Sylvester Comfrey ›Sylvester‹ genannt
hatte.
»Wie ich
schon sagte«, erwiderte Minerva streng, »bin ich erstaunt, daß Lord Brabington
dir nicht erklärt hat, wie die Dinge liegen. Ich habe mit ihm über die
Hochzeitsvorbereitungen gesprochen und gesagt, mein eigenes Kleid werde sehr
prächtig sein und deines müsse mindestens
ebenso gut aussehen. Er erwiderte sofort, er werde an Madame Verné
in London schreiben – sie ist die beste Schneiderin, weißt du – und sie
bitten, Entwürfe nach Hopeworth zu schicken. Wir sollen einen
Monat vor der Hochzeit nach London reisen und bei Lady Godolphin bleiben; dein
Kleid kann also sehr schnell angefertigt werden.«
»Ich bin
kein Kind mehr«, rief Annabelle. »Warum werden solche Dinge hinter meinem
Rücken vereinbart? Außerdem habe ich kaum Gelegenheit
gehabt, mit meinem Verlobten allein zu sprechen, seit wir unsere Verlobung
bekanntgegeben haben«, fügte sie hinzu. Ihre Stimme wurde vor Ärger lauter, und
sie vergaß ganz, daß sie es sorgfältig vermieden hatte, mit dem Marquis allein
zu sein. »Wie kommt es, daß du mit ihm so vertraut bist?«
»Ich bin
nur zu ihm gegangen, um die Vorbereitungen zu besprechen.«
»Wo? Wo
fand dieses Gespräch statt?«
»In seinem
Schlafzimmer.«
»Was?«
»Annabelle,
sei nicht albern. Ich bin die Älteste der Familie, und du weißt genau, daß ich
seit langem daran gewöhnt bin, die Dinge für uns zu
organisieren. Es war ganz natürlich, daß ich zu Lord Brabington ging. Er war
schließlich noch nicht wieder gesund, und so hätte ich ihn schlecht anderswo um
eine Unterredung bitten können.«
»Und mir«,
sagte Annabelle leidenschaftlich, »hat diese Fledermaus von einer
Herzogin verboten, auch nur in die Nähe von Peters Zimmer zu
kommen, denn das sei nicht comme il faut – oder kommafau, wie diese
dumme, fette Witzfigur von einer Frau, Lady Godolphin, es nannte ...«
»Das ist
genug«, unterbrach Minerva sie eisig.
»Spiel nur
nicht vor mir das Fräulein Rührmichnichtan!« schnaubte Annabelle. »Ich
zumindest kann warten, bis zu meiner Hochzeitsnacht.«
Die frühere
Minerva wäre hier über und über rot geworden, doch die neue Minerva sah
Annabelle nur mit unangenehm aufmerksamem Blick an.
»Und wie
kommst du darauf, mein Fräulein, daß ich in meinem Verhalten voreilig war?«
»Man
braucht dich ja nur anzusehen«, gab Annabelle verdrießlich zurück.
»Ich bin
überrascht, daß du so viel Zeit hast, dir über meine Moral Sorgen zu machen«,
sagte Minerva. »Sieh mich an,
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