Annebelle - sTdH 2
genug.«
»Aber solche Frauen.«
»Nein, ich
meine nicht die Marketenderinnen. Ich meine die Ehefrauen – vor allem die
irischen Ehefrauen. Sie sind unglaublich tapfer und stark. Da gab es eine
Wäscherin namens Biddy, deren Mann, Dan, Soldat bei den Vierunddreißigern war.
Es passierte letzten Winter. Wir mußten
den Rückzug antreten, und die Franzosen waren uns hart auf den Fersen.
Ihr Mann
war verwundet. Er brach am Straßenrand zusammen und sagte, er könne nicht
weitergehen. Sie sagte ihm, er solle auf ihren Rücken steigen, sie würde ihn
tragen. Der Mann wollte sich aber weder von seinem Tornister noch von seiner
Muskete trennen. Sie wußte, daß die Franzosen bald da sein würden, und
beschloß, alles zu tragen. Ich erinnere mich noch an ihren irischen Akzent. Sie
sagte: ›Nun, Sir, ich lief fort mit ihm auf meinem Rücken, Tornister,
Muskete und alles, und war stark wie Samson vor lauter Angst; ich schleppte ihn
anderthalb Meilen weit hinter dem Regiment her zum Biwak; mein Rücken ist von
der Zeit an bis heute ganz krumm geblieben und wird erst wieder gerade werden,
wenn ich nach Irland zum Heiligen Brunnen komme und Vater McShane mich segnet
und mir die Hand auflegt!‹«
Annabelle beäugte
ihren Verlobten nervös. Sollte das ein Wink sein, auch sie solle der
Trommel folgen?
»Aber es
gibt keine Damen im Krieg!« rief sie aus.
»Nun«,
lachte er, »Frauen wie diese Wäscherin sind in meinen Augen sehr große Damen.
Doch wenn du Damen von Adel meinst, dann gewiß doch. Die berühmteste Schönheit
unserer Tage ist die frühere Juanita Maria de los Dolores de Leon. Nach der
Einnahme von Bajados stellten sich zwei Damen, Schwestern, beide Spanierinnen,
unter den Schutz der Briten. Juanita war fünfzehn und das schönste Geschöpf,
das jemals jemand gesehen hatte. Zwei Tage später war sie mit Captain Harry
Smith von den Rifles verheiratet, und seither war sie der Liebling der Armee,
sie teilte alle Abenteuer und Härten mit uns.«
Annabelle
war mehr denn je davon überzeugt, er erwarte von ihr, daß sie freiwillig mit
ihm ginge. Für einen Augenblick gestattete sie sich den Traum, selbst der
Liebling und die Heldin der britischen Armee zu werden, doch dann kam ihr Lord
Sylvesters Gesicht in den Sinn, und sie verzog trotzig die Lippen.
»Ich glaube
nicht, daß Mamas Gesundheit den Schock aushalten würde, den sie erlitte, wenn
ich mit dir in den Krieg ziehen müßte«, sagte sie.
»Das würde
ich auch nicht zulassen«, lachte er. »Du bist nicht aus dem Stoff, aus dem
Heldinnen gemacht sind. Kriegsheldinnen, meine ich«, fügte er hastig hinzu.
»Dann wirst
du also zu deinem Regiment zurückgehen?«
»Gib mir
Zeit«, sagte er langsam. »Niemand erwartet von mir, daß ich so bald nach meiner
Hochzeit zurückkomme. Genug von diesem Gerede über den Krieg. Du hast mich noch
nicht geküßt, Liebste.«
»Oh, das
dürfen wir nicht«, sagte Annabelle hastig. »Ich habe keine Anstandsdame, und
Mice hat die Tür offengelassen, siehst du; es könnte jemand kommen, oder
Minerva könnte zurückkommen.«
»Annabelle,
meine Liebste, ich könnte schwören, daß du Angst vor mir hast.«
Annabelle
ließ den Kopf hängen. »Bloß schüchtern«, flüsterte sie.
»Das sind
die Nerven in der Verlobungszeit«, sagte er mitfühlend. Er hob ihre Hand und
küßte sie. »Ich bin bereit zu warten, bis wir verheiratet sind. Du wirst
feststellen, daß ich sehr geduldig bin.«
»Danke«,
sagte Annabelle; ihr war elend vor Schuldgefühlen. Er sah so gut aus, so liebevoll, seine seltsamen Augen hatten im Feuerschein einen goldenen Glanz.
»Meine
Eltern sind tot, wie du weißt«, sagte er, ließ ihre Hand los und suchte etwas
in seiner Tasche. »Doch dies hier gehörte der Marquise von Brabington.« Er
reichte ihr ein flaches Etui.
Annabelle
öffnete es langsam. Ein wunderschönes, farbiges, antikes Halsband mit passender
Brosche glitzerte und funkelte im Licht. Es war im Renaissancestil gearbeitet
und bestand aus blauen und weißen Bögen und karmesinroten Ringmustern, besetzt
mit Rubinen, Diamanten und Barockperlen-Tropfen.
»Komm
herüber zum Spiegel und schau, wie es aussieht«, drängte er.
Annabelle
erhob sich widerstrebend. Sie reichte ihm die Schachtel und stand da wie ein
gehorsames Kind, während er ihr den Schmuck um den Hals legte.
Sie hielt
ganz still und fühlte die Schwere des Halsbandes auf ihrer Brust. Zum Gewicht
der Juwelen kam das schreckliche Gewicht der Realität der Ehe. In all ihren
Träumen von
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