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Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)

Titel: Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Seidl , Stefan Rosenboom
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seinen Spezialzigaretten. Das ist seine Form von Luxus, sein kleines Laster. Denn Bier mag der Alois nicht wirklich, aber er gibt es nicht gern zu. Nur wenn ein Mann auf Besuch kommt, dann packt ihn die Mannesehre und er trinkt wohl oder übel eines mit. Meist so langsam, dass der andere schon längst fertig ist mit seinem Bier. Das wiederum sieht der aufmerksame Alois sofort, auf diesen Moment hat er gewartet, um dann höflich-verschmitzt zu fragen: »Magst noch eines?« Spätestens bei der Frage bemerkt der Gast, dass der Alois da immer noch vor seiner halb vollen Flasche sitzt – seit einer Stunde. Bier ist eben nichts für Alois, dann lieber schon Zigaretten.
    Manchmal muss der Alois auch gekauften Tabak rauchen, weil Annis Tabakpflanzen nicht für ein ganzes Jahr reichen. Kennt er da einen Unterschied? Selbst angebaut oder gekauft? Genüsslich zieht er noch einmal an seiner Zigarette. Er sitzt da, raucht und überlegt. »Na ja«, sagt er schließlich und macht eine kleine Pause, »der selbst angebaute Tabak ist gesünder, aber man kann ihn nicht so klein schneiden wie den gekauften.« Aber bei dieser Antwort hat er nicht mit Anni gerechnet: »ER und kleiner schneiden«, schleudert sie ihm empört entgegen. »Wenn ER das macht, dann wird der Tabak um einen halben Zentimeter breiter.« Und dabei schaut sie triumphierend, weil sie natürlich haargenau weiß, dass er nie seinen Tabak selber schneiden würde. Dass er sich nie in ihren Haushalt einmischen würde, der ruhige, etwas phlegmatische Alois.
    Alois dagegen lässt nicht provozieren von ihrer spitzen Bemerkung. Schnell lenkt er wieder ein und sagt gelassen: »Dein Tabak passt scho, auch wenn er nicht so fein ist.«
    »Passt scho« – dieser bayerische Allroundausdruck für alle Lebenslagen, diese Scheinzufriedenheit, dieses Scheineinlenken – das alles liegt in einem »Passt scho«. Und wenn der Alois eines nicht will, dann ist es streiten. Auf so etwas lässt er sich in seinem Alter nicht mehr ein. Lieber sagt er nichts oder lacht einfach, genau wie die Anni. Das Leben ist so leichter, ruhiger. Im Fluss – würden andere sagen – ohne Steine, ohne Hindernisse.
    Langsam, fast wie in Zeitlupe, zieht der Alois an seiner Zigarette. Ob der Tabak von Anni oder aus dem Supermarkt stammt, egal. Klein oder grob geschnitten, auch egal. Alois pfeift wieder, fast tonlos: »Fffff-ffff-ff-ffff-f«. Die Zigarette verglimmt und Alois erzählt zwischen Zigarettenzügen und melodielosen Liedern seine Geschichte. Langsam, mit großen Pausen, so als wolle er immer wieder fragen: »Bin ich denn wirklich so wichtig?«
    Ich bin 1934 geboren, hier in diesem Haus auf dem Hochfeld. Ich war der kleinste von neun Geschwistern, das Nesthäkchen. Aber behandelt haben sie uns damals deswegen auch nicht anders. Verzogen hat dich da keiner.
    Das Haus hat mein Großvater gebaut. Seitdem hat sich nicht viel verändert. Wozu auch?
    Mit meinem Vater habe ich mich oft zerkriegt. Der hat sich nicht eine Minute stillhalten können. Uns hat er immer Arbeit angeschafft. Was mein Vater gesagt hat, das hat man machen müssen. Auch meine Mutter. Die hat daheim überhaupt nichts zu sagen gehabt, obwohl sie eine nette Frau war. Und Geld hat er ihr nie gegeben, keine einzige Mark. Um alles betteln hat sie müssen.
    Schön haben wir es nicht gehabt mit dem Vater. Wenn wir was ausgefressen hatten, hat er uns in den dunklen Keller gesperrt, ohne eine Kerze oder eine Lampe. Eine Stunde mindestens. Der kannte da gar nichts. Wir haben immer probiert, dass wir vom Kellerloch rausschlüpfen, aber das hat nicht funktioniert.
    Mein Vater hat auch keine Ausbildung gehabt. Der hat von der Landwirtschaft leben müssen. Bei uns daheim war das Geld immer knapp. Milch, Butter, Eier, Getreide, Kartoffeln und Brot haben wir selber gehabt. Ab und zu hat mein Vater auch ein Schwein geschlachtet. Das hat er auch für andere Bauern gemacht und das war ein kleines Zubrot für uns.
    Früher ist alles mit der Sense gemäht worden – auch die großen Wiesen. Das war eine Schinderei. Als Bub hab’ ich schon mähen müssen, das war hart. Rechen, wenden, rechen, wenden, so ist die Arbeit dahingegangen, bis das Heu trocken war. Und dann das Aufladen mit der Heugabel auf den Wagen – das war schwer für uns Kinder.
    Als Kind habe ich schon immer gern »gemachelt« also mit Holz gearbeitet, eine kleine Kreissäge habe ich selbst gebaut und einen kleinen Wagen aus Holz. Am liebsten wär’ ich Schreiner worden, aber da hat daheim

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