Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)
hat es gegessen. Der Speck war so dick und fett, dass wir lieber nur Soße mit Knödel oder Kraut gegessen haben. Unter der Woche gab es bei uns nur Kartoffelspeisen, für mehr war kein Geld da. Die erste Wurst in meinem Leben, die habe ich nicht zu Hause probiert. Da war ich schon längst in Stellung in München.
Meinem Stiefvater habe ich als Älteste viel helfen müssen. Der hatte einen gelähmten Arm, der völlig abgemagert war. Vom Mörteleimerschleppen, hat mir der Stiefvater erzählt. Muskelschwund oder so. Beim Ackern hat er die Zügel für die Ochsen nicht alleine halten können. Da hat er mich brauchen können. Ich bin neben ihm hergelaufen und hab’ das andere Seil festgehalten. So haben wir das ganze Feld umgegraben, nur wir zwei.
Mein Stiefvater war ein ruhiger Mensch, der hat uns nie geschlagen. Meine Mutter war da anders, mit der ist schon manchmal der Gaul durchgegangen. Was sie überhaupt nicht mögen hat, war »Nach schnabeln«. Da haben wir einfach zur Gaudi die Sätze wiederholt, die sie gerade gesagt hatte. Mei, da ist die in Rage gekommen. Ich habe das einmal ausprobiert, nur einmal, und dann habe ich eine solche Watschn von ihr gekriegt. Nachreden habe ich mich nie wieder getraut.
Spielen, ja, das haben wir nur am Sonntagnachmittag dürfen. Das war alles. Aber das war bei allen Kindern so. Der Nachmittag war schön, da haben wir uns alle am Dorfplatz getroffen und Fangen, Verstecken oder Ringelreigen gespielt. Im Winter durften wir sogar zwei- oder dreimal mit einem großen Zugschlitten den Hang runterfahren. Gelenkt haben den die größeren Dorfbuben. Da sind wir schon ein paar Mal ganz schön umgefallen damit, aber Spaß hat es gemacht.
Uns ging es nicht schlecht als Kinder, nein. Das war damals einfach so. Da ging es keinem Kind im Dorf besser oder anders. In die Schule gegangen bin ich acht Jahre lang, mit 14 war ich fertig. Aber man hat mich zu nichts brauchen können. Ich war ja nur 1,33 Meter groß. Und ziemlich dick. Ich bin eher in die Breite gewachsen als in die Höhe. Schöne Zöpfe, gesundes Haar – aber halt ein richtiges »Bummerl«, wie man bei uns sagt. Und einen Kropf, einen dicken, habe ich gehabt. Wie bei den großen Gänsen, ich hab’ furchtbar ausgeschaut. Und als meine Mutter dann mit mir zur Berufsberatung gegangen ist, haben sie mich für nichts brauchen können. »Viel zu klein«, haben sie gesagt, »für alles.«
So hat mich meine Mutter in eine Haushaltungsschule gesteckt. Für ein Jahr. Das war eine gute Zeit. Da hab’ ich mich nicht mehr so schinden brauchen wie daheim. Richtig erholt hab’ ich mich und endlich genug Schlaf gekriegt. Da gab es auch einen Arzt, der hat dann festgestellt, dass ich unter einer Drüsenunterfunktion leide, und hat mir flüssiges Jod gegeben. Der Kropf ist davon immer kleiner geworden. Und ich bin in dem Jahr gewachsen, zwanzig Zentimeter sogar.
Das ist alles lange vorbei. Trotzdem war es eine schöne Zeit. Auch wenn das heute keiner glauben kann. Außer unserem Dorf, der Schule und der Kirche sind wir nirgends hingekommen. Wir kannten nichts anderes als die Haustür, die Schultür und die Kirchentür. Das war unsere kleine Welt. Die war klein, sehr klein, aber wir waren glücklich.
Abb. b: Annis Eltern
Alois – der Hoferbe
D er Alois redet nicht viel. Oft pfeift er ein Lied vor sich hin, das keiner kennt – nur so. Den Blick hat er in die Leere gerichtet. Da sitzt er dann, dreht sich ein Zigarettchen und lässt die Zeit vergehen. Ohne Widerstand, ohne Taten, ohne große Worte. Am liebsten raucht er im Sommer auf der Hausbank und schaut sich in der Ferne die Berge des Bayerischen Waldes an. Der Lusen, der Rachel, der Arber – seine Heimat. Hier in diesem Haus ist er geboren, aufgewachsen, ist er Vater geworden, sind seine Eltern gestorben und hier ist er selbst alt geworden. 78 Jahre, jetzt.
Sein Blick wandert dann über die Tabakpflanzen, die Anni in ihrem Gemüsebeet für ihn anbaut. Schon 15 Jahre lang. Und das in dem rauen Klima, den harten Wintern. Zweieinhalb Meter hoch wachsen die Pflanzen und Ende August, wenn die unteren Blätter gelb werden, dann erntet Anni die Blätter einzeln und trocknet sie auf dem Dachboden. »Freilich, da ist viel Geld zum Sparen«, stellt die Anni fest, mit ihrem Tabak, das hat sie sich genau ausgerechnet.
In der Stube hat der Alois eine alte Zigarettendreh maschine, eine silberfarbige. Mit dem alten Utensil dreht er den klein geschnittenen Bayerwald-Tabak made in Hilgenreith zu
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