Anni und Alois - Arm sind wir nicht: Ein Bauernleben (German Edition)
unangenehmen Thema wieder abzu lenken, berichtet Anni weiter von ihren »normalen« Wet terbeobachtungen. Neben ihrem Barometer und ihrem Schwalbenpaar schätzt sie auch den Wind als Wetter indikator. Aus welcher Himmelsrichtung er kommt, sagt ihr, welches Wetter er bringen wird. Bei Nordostwind, so hat die Anni immer wieder erlebt, kommt Kälte. Bei Südwind kündigt sich Regen an. Aber bei allen Wetterregeln hat Anni eines gelernt: »Der eine sagt so, der andere so. Und dann muss man sehen, wie es kommt.«
Und weil auch der Alois zwischendurch etwas sagen mag, stellt er fest: »Wenn das schlechte Wetter sich verzieht, dann wird es schön.« Der kleine Witz bringt Anni zum Schmunzeln, obwohl sie ihn sicher schon oft gehört hat. Dem Alois zuliebe aber lacht sie gern über seine hintersinnigen Bemerkungen.
»Draußen schaut es her wie in Sibirien«, sagt die Anni und klappt ihre Kalender zu. Dunkle Regenwolken hängen über dem Bayerischen Wald, der heute noch finsterer wirkt wie sonst. Der Mai bleibt verregnet, die Anni seufzt. Ihr Garten, ihre Pflanzen sind winzig, für die Jahreszeit zu klein. Das Gartenjahr fängt schon schlecht an – denkt sie sich. Und zum Alois lacht sie hin und sagt: »Das wird ein gutes Jahr – aber nur für das Gras.«
Hühnerleben
I m Mai piept es in der Stube von Anni und Alois. »Fiep-fiep-fiep«, dieses leise Geräusch begleitet den Alltag der beiden nun ständig. Und wenn sie Holz brauchen, um den Küchenofen nachzufeuern, dann müssen sie in den Gang gehen, um es zu holen. Denn die große Schublade im Ofen gehört jetzt Annis Zöglingen: kleine flauschige Knäuel, junge Küken, die in Hilgenreith geboren wurden.
Ihre Küken sind – neben den Pflanzen – der ganze Ehrgeiz von Anni. Nicht umsonst stehen in der Stube mehrere Pokale und Wimpel, mit denen sie für ihre vorbildliche Geflügelzucht ausgezeichnet wurde. Einmal im Jahr züchtet die Anni selbst Hennen nach und legt rund 250 Hühnereier in ihre alten Brutapparate, die sie auf die verschiedenen Schlafzimmer im ersten Stock verteilt. Drei Wochen lang muss sie die Eier zweimal täglich wenden, einmal davon um halb 6 Uhr morgens. Nach einigen Tagen durchleuchtet sie mit einer speziellen Taschenlampe ihre Eier. Ein spannender Moment für die Hühnerzüchterin: Wenn Blutadern zu sehen sind, ist Annis Rechnung aufgegangen, dann wächst neues Leben in dem Ei.
Nach drei Wochen ist es schließlich so weit: Die Nacht der Geburt bricht an. Für den Alois meist eine schlaflose Nacht, denn das laute Kratzen und Picken gegen die Eierschale hindert ihn am Durchschlafen, während die schwerhörige Anni gemütlich weiterschlafen kann. Fünfzig Küken sind heuer so im Mai geschlüpft und ihre ersten Lebenstage verbringen sie in der Ofenschublade. Dort ist es besonders warm und förderlich für die Kleinen, vor allem weil der verfrorene Alois bekanntermaßen gern nachheizt.
In der Schublade findet man nicht nur gelbe Küken, nein, es gibt auch schwarze, gestreifte, hellbraune oder mittelbraune. Denn die Durchschnittshenne interessiert Anni nicht, auch hier gefällt ihr das Besondere: Mitten im Bayerischen Wald züchtet sie exotische, südamerikanische Rassen und französische Marans. Und so kann man bei der Anni nicht nur braune und weiße Eier kaufen, sondern genauso grüne – von den schwanzlosen Araucana-Hühnern. Ihnen wird nachgesagt, dass sie besonders wenig Cholesterin enthalten.
Während die Anni ihre Küken etwas unsanft aus der Schublade holt und ihren Gesundheitszustand überprüft, erzählt sie von ihrer Hennenleidenschaft:
Ich hab’ die Hennen als Kind schon gern mögen. Ich bin drei Jahre alt gewesen, da hab’ ich mir ein’ Haufen Eier in ein Nest im Hühnerstall, da wollte ich mich draufsetzen und es ausbrüten. Bis die Mama es bemerkt hat, dass ich da Eier drinnen habe, dann ist sie wütend geworden. Die waren gleich weg, die Eier.
Später habe ich einen Puppenwagen geschenkt bekommen. Mit dem bin ich rumgefahren. Die Nachbarin hat mich gesehen und gefragt: »Wo hast du denn deine Puppen?«, dann habe ich gesagt: »Schau rein!« Da hat sie gesagt, nachdem sie ihren Kopf reingesteckt hatte: »Oh, du hast ja eine Henne drin.« So sehr haben mir die Hennen schon immer gefallen.
Jetzt züchte ich seit fünfzig Jahren Hennen. Zwischen siebzig und hundert Küken habe ich jedes Jahr. Da kommen alle Jahr soundsoviele alte Hennen weg und dann behalte ich mir wieder junge. Ohne Hennen – das wäre nichts.
Nach nur einem
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