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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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acht bis zehn Leute, die einen starken Anführer haben. Die kommerziellen Geiselnehmer betrachten sich selbst als normale Tagelöhner, sie gehen zur Arbeit, nehmen Urlaub und verbringen ihre Freizeit mit der Familie. Tatsächlich sind es häufig Jugendfreunde oder Studienkollegen oder Mitglieder derselben religiösen Gemeinschaft. Normalerweise beginnen sie ihre Karriere als ganz gewöhnliche Kleinkriminelle, mit Ladendiebstählen und Banküberfällen und anderen illegalen Aktivitäten.«
    Sie betrachtete Halenius, wie er dort in ihrem Sessel saß. Er wirkte so unerhört sicher und entspannt: in Strümpfen und mit am Hals aufgeknöpftem Hemd und hochgekrempelten Ärmeln. Das Haar stand in alle Richtungen ab.
    Für Jimmy Halenius war auch dies nur ein Arbeitstag, vielleicht ein bisschen spannender als sonst, weil er die Gelegenheit bekam, sein Wissen anzuwenden, und huiuiui, er wusste viel, ge­nau genommen wusste und konnte er alles.
    »Die religiösen oder politischen Geiselnehmer sind ein bisschen anders«, sagte sein Mund. »Ihre Anführer sind oft gut ausgebildete Typen, die während ihrer Studienzeit Revolutionsluft geschnuppert haben. Vielleicht wollten sie anfangs sogar tatsächlich die Welt verändern, aber wenn sie dann erst mal Lösegeld wittern, erlischt die politische Glut schnell.«
    »Und haben wir es jetzt mit so einem Typen zu tun?«, fragte Schyman.
    Halenius trank seinen Kaffeebecher leer.
    »Ich glaube, ja«, sagte er. »Der Kerl, mit dem ich am Telefon geredet habe, sprach klares ostafrikanisches Englisch, wie man es an der Universität von Nairobi hört.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Annika und spürte, dass ihre Augen sich zu Schlitzen verengten.
    Er sah sie direkt an, als er antwortete.
    »Meine Exfrau hat dort studiert«, sagte er. »Die Universität in Südafrika war während der Apartheid für Leute wie sie nicht zugänglich.«
    Sie fühlte sich ganz klein. Eine afrikanische Frau. Sie hatte nicht die geringste Ahnung gehabt. Sie stammelte »wie?« und »weshalb?«.
    »Die SSU war 1989 Mitorganisator eines ANC Youth League- Kongresses in Nairobi«, sagte er. »Kenias damaliger Präsi­­dent Daniel arap Moi hatte gerade alle politischen Gefange­nen freigelassen und eine Art Charmeoffensive gestartet. Dort sind wir uns begegnet. Sie ist in Soweto geboren und aufgewachsen.«
    Er wandte sich an den Chefredakteur.
    »Das war einer der Gründe, warum ich diesen Fall hier übernehmen sollte. Ich bin zwar kein Afrikaner, aber von allen ausgebildeten Leuten bin ich am ehesten mit der Sprache und den Dialekten vertraut.«
    »Sie kennen also Nairobi?«, fragte Schyman.
    »Wir haben dort geheiratet. Und sind dann auf Söder zusammengezogen, nachdem sie ihre Doktorarbeit abgeschlossen hatte.«
    »Aber inzwischen sind Sie geschieden?«
    »Sie arbeitet für die südafrikanische Regierung«, sagte Halenius. »Sie hat ungefähr die gleiche Position wie ich, allerdings im Wirtschaftsministerium.«
    »Wie heißt sie?«, fragte Annika.
    »Angela Sisulu.«
    Angela Sisulu. Das klang wie ein Lied.
    »Ist sie mit Walter Sisulu verwandt?«, fragte Schyman.
    »Entfernt.«
    Annika atmete mit offenem Mund. Sie wussten alles und konnten alles. Und sie konnte nichts.
    »Wer ist Walter Sisulu?«, fragte sie.
    »Ein ANC -Aktivist«, sagte Halenius. »Nelson Mandelas rechte Hand, könnte man sagen. Er wurde gemeinsam mit Mandela im Rivonia-Prozess ’64 verurteilt und hat all die Jahre mit ihm auf Robben Island gesessen. Beim ersten legalen Kongress des ANC ’91 wurde er zum Vize-Präsidenten gewählt. Er ist 2003 gestorben.«
    Schyman nickte, und seine selbstgefällige Kopfbewegung traf sie unmittelbar in ihrem angeknacksten Selbstbewusstsein. Weder wusste sie alle alten ANC -Führer auswendig, noch hatte sie in Nairobi ihren Doktor gemacht. Sie war auch nicht in Soweto aufgewachsen, sondern hatte mit Mühe das Journalistik-Studium an der Universität in Stockholm geschafft und war in der Tattarbacken in Hälleforsnäs aufgewachsen. Sie saßen hier in ihrem von Kinderhänden bekleckerten Wohnzimmer und unter­hielten sich allgemein und hypothetisch über Geiselnahmen. Aber all das war doch real, es war wirklich passiert, ihre Familie war betroffen, und sie konnte nichts tun.
    »Was wollen Sie eigentlich?«, fragte sie Anders Schyman. »Wo­rüber wollten Sie mit mir sprechen?«
    Er wandte sich ihr zu.
    »Ich habe mit dem Vorstandsvorsitzenden über Ihre Situation gesprochen und grünes Licht bekommen, Ihnen

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