Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
Vom Netzwerk:
das Dach.
    Ganz oben an der Wand, gleich unter dem Dach, war ein ziem­lich breiter Spalt. Ich kniff ein Auge zu, drückte das andere an den Schlitz und schirmte es mit den Händen ab, um besser sehen zu können. Der Wind blies Sand und vertrockneten Kuhdung herein, ich musste zwinkern und es erneut versuchen. Ich sah drei Hütten, nicht aus Wellblech, sondern aus rissigem Lehm, außerdem stieg mir der Geruch von Feuer und Schimmel in die Nase. Die Sonne stand noch tief, die Schatten waren lang und schwarz. Die zu den Stimmen gehörigen Menschen konnte ich nicht sehen, aber sie mussten irgendwo da draußen sein, ihre Worte wurden vom Wind herübergeweht, wahrscheinlich waren sie irgendwo hinter einer der anderen Hütten. Ich spähte in alle Richtungen, sah aber nichts. Also setzte ich mich wieder und versuchte zu verstehen, was Catherine sagte, was sie wollte, sprach da nicht auch ein Mann? Antwortete er ihr? Und dann rief sie no, no, no, und dann begannen die Schreie.
    *
    Die Frau war mit vier Stichen in den Nacken getötet worden. Sie lag am Waldrand, in der Nähe eines Fußwegs, auf der Rückseite der Häuser im Kungsätravägen im südlichen Stock­­holm. Nicht weit entfernt war ein Spielplatz. Sie war gegen sechs Uhr von einem Mann gefunden worden, der seinen Hund ausführte.
    Die Parallelen zum Mord an Linnea Sendman waren, laut Abend­blatt , augenfällig. Sicherheitshalber führten sie die Entsprechungen noch einmal Punkt für Punkt und mit großen Fotos auf:
Die Mordwaffe: Ein Messer (dazu das instruktive Foto eines Fahrtenmessers. Aus der Bildunterschrift ging hervor, dass es sich bei dem abgebildeten Messer nicht um die Mordwaffe handelte).
Der Todesstoß: Von hinten, ins Genick (illustriert von einem ano­nymen Frauennacken, wahrscheinlich der von Elin Michnik).
Der Tatort: Neben einem Spielplatz (Foto einer verlassenen Schaukel).
Die Vorstadt: Zwischen beiden Tatorten lagen nur fünf Kilometer (dazu eine Karte mit Pfeilen).
    Die ermordete Frau hieß Lena Andersson, sie war 42 Jahre alt, alleinerziehend, mit zwei Töchtern im Teenageralter. Sie lachte Annika von der Zeitungsseite entgegen, ihr rotes Haar flatterte im Wind.
    Inzwischen war die Serienmördertheorie sogar bei der Polizei auf fruchtbaren Boden gefallen. Zwei namentlich genannte Ermittler bestätigten, dass die Nachforschungen in den Fällen Lena und Linnea (die Zeitung war mit den beiden ermordeten Frauen bereits per Vornamen) zusammengelegt würden.
    »Woher habt ihr bloß immer all diese Fotos von ermordeten Leuten?«, fragte Halenius und kaute sein Vollkornbrötchen. »Ich dachte, wir hätten die Archive alle geschlossen.«
    Annika faltete die Zeitung zusammen und legte sie weg. Sie hatte nicht die Kraft, über die beiden Teenagermädchen nachzudenken, die die Frau hinterlassen hatte. Ob sie am Samstagabend aufgeblieben waren, um auf Mama zu warten? Ob sie auf ihre Schritte im Treppenhaus gehorcht hatten? Oder waren sie mit ihrer Clique unterwegs gewesen, ohne einen Gedanken an Mama, ja, vielleicht sogar ohne zu merken, dass Mama weg war, bis die Polizei an der Tür klingelte und »Es tut uns sehr leid« sagte?
    »In mancher Hinsicht ist es schwieriger geworden, seit du das Archiv dichtgemacht hast«, sagte Annika, »aber in der digitalen Welt gibt es unendlich viele Quellen, die man anzapfen kann.«
    »Welche zum Beispiel …?«
    »Blogs, Twitter, Internetzeitungen, Diskussionsforen, Internetseiten von Firmen und Ämtern und natürlich Facebook. Sogar der Selbstmordattentäter von der Drottningsgatan hatte einen Facebookaccount.«
    »Und was ist mit dem Urheberrecht?«, fragte Halenius. »Ich dachte, so etwas gilt auch für euch?«
    »Grauzone«, antwortete Annika und versuchte, etwas zu essen.
    Das Bild der rothaarigen Frau schwebte vor ihr über dem Früh­stückstisch. Laut Elin Michnik hatte sie seit drei Jahren allein mit ihren Töchtern gelebt, als Chiropraktikerin in einer Praxis in Skärholmens Zentrum gearbeitet. Sie war nach dem Yoga­kurs auf dem Heimweg, als sie in der Winternacht ihrem Mörder begegnete.
    Annika trank einen Schluck Orangensaft und biss in ihr Brötchen.
    Heute sah Halenius nicht so frischgebügelt aus. Ihr Verdacht, dass seine Freundin für ihn wusch, verstärkte sich.
    »Sind deine Kinder gut angekommen?«, fragte sie.
    Er bewegte sich schwerfällig und warf einen Blick auf seine Arm­banduhr.
    »Sie sind vor einer Stunde gelandet. Kann ich die Zeitung haben?«
    Annika schob sie über den Tisch und

Weitere Kostenlose Bücher