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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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nie wieder werde ich ihre Ausscheidungen berühren, ihre Schändlichkeiten. Catherines Augen verfolg­ten mich, glasig vor Schmerz, aber sie waren voller Verachtung und verurteilten mich. Sie sahen mich in jeder Ecke. Und die Geräusche waren so laut, dass ich ihnen nicht entkam.

TAG 6
    Montag, 28. November
    Annika war im Flur, als das Festnetztelefon klingelte. Die Hand am Türknauf, erstarrte sie und lauschte zum Schlafzimmer.
    »Wir wollten doch gehen, Mama!«
    Die Kinder drängelten ungeduldig um ihre Beine herum. Sie schwitzten schon unter ihren Jacken. Warum wartete er immer so lange, bis er abnahm?
    Es klingelte zum zweiten Mal.
    »Ja, natürlich, sofort …«
    War das eine bewährte Geiselnahme-Verhandlungstaktik: Man wartet bis zum dritten Klingeln, dann verringert sich das Lösegeld und alles geht schneller?
    »Heute gehen wir in die Schwimmhalle, Mama. Muss ich da keinen Badeanzug mitnehmen?«
    Verdammt. Das Schwimmtraining. Sie ließ den Türknauf wieder los.
    Das dritte Klingeln.
    »Klar«, sagte sie und lief zurück ins Kinderzimmer, riss die Kleider aus Ellens Schrank und fand den Badeanzug zwischen den Socken.
    Vier. Jetzt ging Halenius an den Apparat. Sie hielt inne, und die Zeit rauschte in ihren Ohren.
    Annika hatte in der vergangenen Nacht schlecht geschlafen. Ein für sie unbekanntes und unangenehmes Gefühl. Sie war mehr­fach aufgewacht, war zu den Kindern hineingegangen und hatte still im Dunkeln dagesessen und ihren Atemzügen gelauscht. Sie hatte am Wohnzimmerfenster gesessen und versucht, Sterne zu erkennen. Aber da waren keine. Die Müdigkeit wogte wie Seegang durch ihren Körper, eine Art ruckartige Gleich­gewichtsstörung.
    »Darf ich die Tüte nehmen, Mama?«
    Ellen hatte eine Plastiktüte vom Konsum am Rathaus gefunden. Schwitzend und zappelig stand sie vor ihr, eine kleine Zeitfetischistin, die es hasste, zu spät zu kommen. Draußen im Treppenhaus trat Kalle ungeduldig gegen die Aufzugtür.
    »Natürlich«, sagte Annika. Sie stopfte den Badeanzug und ein Handtuch aus dem Badezimmer in die Tüte und hoffte inständig, dass kein Menstruationsblut am Frotteetuch und keine matschigen Essensreste in der Tüte waren.
    Halenius telefonierte leise auf Englisch. Sie zog die Wohnungstür hinter sich ins Schloss und drehte das Gesicht zum Licht.
    Das Wetter war so hoffnungslos grau und schwer wie Granit. Der Schnee auf den Bürgersteigen hatte sich in Eis verwandelt, aber einige Ladenbesitzer in der Hantverkargatan hatten auf ­eigene Faust die Eisdecke weggehackt und hier und da Sand gestreut, so dass der Weg ein bisschen weniger lebensgefährlich war.
    »Heute haben wir Erdkunde«, sagte Kalle. »Wusstest du, dass Stockholm auf dem 59. Grad nördlicher Breite und 18. Grad östlicher Länge liegt?«
    »Genau«, sagte Annika. »Auf demselben Breitengrad wie Alaska. Und warum ist unser Klima hier besser?«
    »Wegen dem Golfstrom!«, sagte der Junge und sprang mit beiden Beinen gleichzeitig in den Schneematsch.
    Liboi lag direkt auf dem Äquator. Heute würde es dort achtunddreißig Grad warm werden, das hatte Annika im Verlauf ihrer schlaflosen Nacht nachgesehen.
    Als sie die Straße überquerten, nahm sie die Kinder an die Hand. Es ging ein bisschen bergauf, und sie hatten die ganze Zeit Gegenwind. Am Schultor ging Annika in die Hocke und zog die beiden an sich. Kalle wehrte sich verlegen, aber sie hielt ihn fest.
    »Wenn euch jemand nach Papa fragt, braucht ihr nicht zu antworten«, sagte sie. »Wenn ihr drüber sprechen wollt, ist das natürlich in Ordnung, ihr müsst aber nicht. Okay?«
    Kalle machte sich los, aber Ellen drückte sie fest. Annika reckte den Hals, um die beiden im Auge zu behalten, als sie mit dem Strom der anderen Kinder im Schulhaus verschwanden, doch gleich hinter dem Tor verloren sie sich im Wald aus Mützen und Rucksäcken. Die Blicke der anderen Eltern prallten von ihr ab, wie der Wind glitten sie an ihr vorbei.
    Sie rannte zurück zur Agnegatan. Der Aufzug war besetzt, also nahm sie die Treppe und erreichte die Wohnung mit Sei­tenstechen und schmerzender Luftröhre. Halenius saß mit abwesendem Blick am Schreibtisch im Schlafzimmer, ein Headset im Ohr. Als sie den Raum betrat, klickte er auf den Bildschirm, zog den Stöpsel aus dem Ohr und drehte sich zu ihr um. ­Keuchend sank sie aufs Bett und studierte sein ernsthaftes Gesicht.
    »Sie lassen sich auf ein geringeres Lösegeld ein«, sagte Halenius. »Das ist definitiv ein Durchbruch.«
    Sie schloss die

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