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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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wäre dagegen keine schlechte Idee. Wie oft und in welchem Ausmaß werden beispielsweise Steuersubventionen für Bauarbeiterlöhne erschlichen?«
    Patrik pfefferte den speichelblanken Kuli auf Schymans Schreib­tisch und stand so abrupt auf, dass der Stuhl an die Wand knallte. Er verließ wortlos das Aquarium.
    »Manchmal kann man die Realität eben nicht ins Boulevardformat quetschen«, sagte Berit. »Meinten Sie das ernst mit der Artikelserie über die Baubranche?«
    Schyman rieb sich das Gesicht.
    »Ich meine, es ist eine gute Idee, ja«, sagte er, »aber wir haben keine Leute, die sich dahinterklemmen könnten.«
    Berit erhob sich.
    »Ich mach mich mal auf die Suche nach jemandem, der vom Alien Hand Syndrome betroffen ist«, sagte sie und verließ sein Büro.
    Schyman starrte den beiden hinterher.
    Falls seine Frau vor ihm sterben sollte – würde er dann auch drei Jahre lang tot in seinem Badezimmer liegen, bevor ihn ­jemand fand? Oder gäbe es Leute, die ihn vermissen würden? Alte Ar­beitskollegen vielleicht?
    *
    Annika stellte das Stativ ab und warf die Tasche mit der Videokamera auf die Couch. Draußen war es heute ein wenig heller, hinter der Wolkendecke konnte man tatsächlich die Sonne er­ahnen. Leise schlich sie ins Schlafzimmer.
    Halenius war auf ihrem Bett eingeschlafen. Er lag auf der Seite, ein Knie angezogen und die Hände unter einem der Zierkissen. Er atmete lautlos und gleichmäßig.
    Plötzlich schlug er die Augen auf und sah sie verwirrt an.
    »Schon da?«, fragte er und setzte sich auf.
    Er kratzte sich die Kopfhaut, ein Knopf an seinem Hemd war lose.
    »Es gibt nur eine Möglichkeit, das Geld da runter zu schaffen«, sagte Annika. »Eine Auslandsüberweisung auf ein Konto in Nairobi. Alle anderen Alternativen können wir vergessen.«
    Halenius erhob sich leicht schwankend.
    »Gut«, sagte er und ging aus dem Zimmer. »Dann organisieren wir das.«
    Sie setzte sich aufs Bett und hörte, wie er ins Bad ging und die Klobrille hochklappte. Er musste die Tür aufgelassen haben, so deutlich war das Geräusch des Strahls. Auf dem Fußboden neben dem Bett lag ein Haufen Zeitungen, vermutlich hatte er gelesen und war dabei eingeschlafen. Der Wasserhahn wurde aufgedreht, dann ging die Klospülung. Er wusch sich also hinterher die Hände.
    Seine Haare hatten sich ein wenig gelegt, als er zurückkam, er musste sich bemüht haben, sie vor dem Spiegel zu bändigen. Dort, wo der Knopf nun fehlte, stand das Hemd offen.
    »Wie soll das gehen?«, fragte Annika. »Ich habe kein Bankkonto in Kenia.«
    Er setzte sich neben sie aufs Bett, nicht auf den Bürostuhl.
    »Entweder du fliegst hin und eröffnest eins, oder wir finden jemanden, an den wir das Geld überweisen können.«
    Annika musterte sein Gesicht. Seine blauen, blauen Augen waren rotgerändert.
    »Du kennst jemanden«, sagte sie. »An wen denkst du?«
    »Frida Arokodare«, antwortete er. »Sie war Angies Zimmergenossin im Studentenwohnheim. Sie ist Nigerianerin, arbeitet in Nairobi für die UN .«
    Er hatte die blausten Augen, die sie je gesehen hatte. Wieso wa­ren sie jetzt so gerötet? Hatte er geweint? Warum sollte er? Oder war er allergisch? Gegen was? Sie streckte die Hand aus und berührte seine Wange. Er erstarrte, und seine Reaktion übertrug sich auf die Matratze unter ihr. Sie zog die Hand weg.
    »Können wir das wirklich tun?«, fragte sie.
    Er sah sie an.
    »Was?«, fragte er leise zurück.
    Sie öffnete den Mund, blieb aber stumm. Nicht, weil sie es nicht gewusst hätte. Sie wusste genau, was sie nicht tun konnten, sie spürte es, die Schmetterlinge im Bauch, spürte, was sie nicht tun konnten, sie wusste es ganz genau.
    O nein, dachte sie. O nein, so ist das also?
    Er stand auf und ging hinüber zum Computer, sie hatte den Eindruck, er versuchte, mit der Hand seinen Schritt zu verbergen.
    »Grégoire Makuza hat vor fünf Jahren einen Kommentar in The Daily Nation geschrieben. Es war ein unerhört kritischer Artikel gegen Frontex, darüber, wie die einzelnen Länder das Thema von sich weisen und die geschlossenen Grenzen zu einer Art Auflage von oben machen, und über die bodenlose Heuchelei, mit der Westeuropa illegale Einwanderer in einem Maß ausbeutet, das ohnegleichen in der Weltgeschichte ist.«
    »Daily Nation?«
    »Die größte Zeitung Ostafrikas. Und der Artikel hat wirklich etwas für sich. Makuzas Argumente werden heute von vielen Kri­tikern geteilt, auch in Europa. Er hätte eine Zukunft als Kommentator gehabt, wenn er

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