Anonym - Briefe der Lust
meine, in der vergangenen Nacht hatte ich ihn seine Zunge in meinen Hals stecken und mich von ihm überall anfassen lassen. Als ich nun erneut seine Wärme spürte, fühlte sich das so vertraut an, dass ich am liebsten die Augen geschlossen hätte. Wie leicht es gewesen wäre, ihn bei der Hand zu nehmen und in mein Schlafzimmer zu führen!
Aber ich hielt meine Augen geöffnet. Schon vor vielen Jahren hatte ich begriffen, dass das nötig war, aber ich hatte sehr lange gebraucht, bis es mir gelang, es dann auch zu tun. „Ich vermisse dich nicht, Austin. Die letzte Nacht war ein Fehler.“
„Komm, Paige. Sag das nicht. Wir waren schon immer gut zusammen.“
„Wir waren sehr lange nicht zusammen“, bemerkte ich, nicht ganz so gelassen, wie ich beabsichtigt hatte.
„Es geht nicht nur um Sex.“ Austin beugte sich ebenfalls vor und stützte die Hände auf seine Knie in den dreckigen Jeans. Direkt unter einer Kniescheibe war ein weißer Fleck zu sehen, noch kein richtiges Loch, aber es würde bald eins sein. „Das meinte ich gar nicht. Ich kann Sex haben, wann immer ich will.“
„Ich bin sicher, dass du das kannst.“ Ich sprang hoch und verschränkte die Arme vor der Brust.
Auch er stand auf. „So meinte ich das nicht.“
Ich hatte nicht vor, mich zu beugen. Nicht über den Stuhl, nicht über das Bett und auch nicht, was das hier betraf. „Es ist vollkommen egal, wie du es gemeint hast. Ich denke, du solltest jetzt gehen.“
„Immer noch die gute alte Paige“, stellte er fest und schüttelte sein Haar. „Immer noch stahlhart. So hart wie ein Felsen. Du gönnst mir einfach keine Pause.“
„Du brauchst keine Pause von mir. Außerdem kannst du dir gerne Sex holen, wo immer du möchtest. Sieh mal, Austin“, sagte ich rasch, als er aussah, als hätte er vor, etwas zu erwidern. „Wir können so nicht weitermachen.“
„Warum nicht?“
Ich musterte ihn nachdenklich, bis ich den Seufzer nicht länger zurückhalten konnte und er über meine Lippen glitt wie Luft, die aus einem kaputten Reifen entweicht. „Du weißt, warum. Weil Probleme nicht durch bloßes Vögeln gelöst werden. Und wir hatten eine Menge Probleme.“
Er kreuzte die Arme und sah mich wütend an. Ich erinnerte ihn nicht an all die Gelegenheiten, bei denen wir über Geld, über Religion und über Treue gestritten hatten. Ich erwähnte auch nicht die Abende, an denen er ausgegangen war, um ein paar Bier mit seinen Freunden zu trinken, und bei seiner Rückkehr nach Parfüm und schlechtem Gewissen gerochen hatte. Im Grunde war es egal, ob er mit einer anderen gevögelt hatte oder nicht. Es ging darum, dass er es vorzog, den Abend mit seinen Kumpels zu verbringen und nicht mit mir. Und ich brachte auch nicht die vielen Male zur Sprache, als ich behauptet hatte, ich würde für die Schule lernen, und in Wirklichkeit die Zeit mit jemand anders verbrachte.
„Ich möchte nur, dass du glücklich bist, Austin.“ Und das meinte ich so, wie ich es sagte.
Er runzelte die Stirn und wirkte noch zorniger. „Du möchtest, dass ich glücklich bin, damit du dich besser fühlen kannst, nur darum geht es. Du willst dich wegen dem, was damals passiert ist, nicht mehr schlecht fühlen.“
Die Wahrheit seiner Worte stach mich wie eine Wespe, am Anfang fast unbemerkt und doch fähig, wieder und wieder zuzustechen. „Ich denke, du solltest jetzt gehen.“
Der verdammte Kerl dachte nicht daran. Er kam näher und umfasste meine Ellenbogen mit den Händen, sodass ich meine verschränkten Arme öffnen musste, um ihn wegzuschubsen oder zuzulassen, dass er mich an sich zog. Ich legte meine Hände gegen seine Brust, stieß ihn aber nicht weg. Durch das enge T-Shirt konnte ich seine festen Muskeln fühlen. Er beugte sich vor, und ich wich nicht zurück. Hätte er mich jetzt geküsst, wäre ich verloren gewesen, aber falls er jemals geglaubt hatte, mich zu kennen, bewies er in diesem Moment, dass er sich täuschte. Er küsste mich nicht.
Stattdessen sagte er: „Ich bin dein Ehemann.“
Mit einem Ruck machte ich meine Arme lang. Seine Hände glitten von meinen Ellbogen aus bis zu meinen Handgelenken und fielen dann herab. Ich trat zurück, und meine Hände auf seiner Brust verhinderten, dass er mir folgte, es sei denn, er schubste mich ebenfalls. Eine Sekunde lang sah Austin aus, als hätte er vor, es zu versuchen, aber er ließ es sein.
„Ich habe einen ganzen Aktenordner voll Papiere, die das Gegenteil beweisen“, erklärte ich ihm.
„Na gut, vielleicht
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