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Anonym - Briefe der Lust

Anonym - Briefe der Lust

Titel: Anonym - Briefe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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nicht offiziell. Aber du kannst nicht behaupten …“
    „Ich kann behaupten, was immer ich will, solange es die Wahrheit ist“, schoss ich zurück.
    „Kannst du wirklich behaupten, es sei die Wahrheit, dass du mich nicht auch vermisst? Nicht mal ein kleines bisschen?“
    „Ich vermisse es, mit dir zu vögeln“, bemerkte ich mit ausdrucksloser Stimme. „Was den Rest angeht? Nicht sonderlich.“
    Austin grinste und spreizte seine Finger. „Das ist immerhin ein Anfang, nicht wahr? Ich rufe dich an.“
    „Ich geh nicht dran.“
    „Dann rufe ich wieder an.“
    Ich zeigte auf die Tür, und er ging. Ich wartete, bis die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, bevor ich dem Drang nachgab, einen tiefen Seufzer auszustoßen. Was ist eigentlich an den bösen Jungs dran, das sie so … so gut macht?
    Ich kannte ihn seit dem Kindergarten. Austin. Auf den meisten Klassenfotos aus meiner Grundschulzeit strahlt sein sommersprossiges Gesicht in der Reihe direkt hinter mir. Auf einem Bild stehen wir nebeneinander, lächeln beide breit und zeigen an genau derselben Stelle eine Zahnlücke.
    Während der Zeit in der Highschool hatten wir nichts gemeinsam. Ich war ein Gothic-Punk-Girl mit Unmengen von Piercings und einem Libellen-Tattoo auf dem Rücken. Wir besuchten beide die weiterführenden Kurse und hatten gleichzeitig Mittagspause. Ich wusste, wer er war, weil er beim Football durch seinen Mut und seine Schnelligkeit auffiel. Falls er mich kannte, dann vielleicht weil ich zu den Mädchen gehörte, die jeder Junge kannte, vielleicht aber auch, weil wir dieselben Schulen besucht hatten, seit wir fünf waren. Wir sagten uns nicht Hallo, wenn wir im Flur aneinander vorbeigingen, aber er war nie gemein zu mir wie einige der anderen Jungen. Austin rief mir nie Schimpfnamen nach oder machte mir geschmacklose Angebote.
    Im Herbst unseres letzten Schuljahrs lag Austin in einem Haufen zorniger, testosterongesteuerte Jungs ganz unten. Wir gewannen das Heimspiel, aber anstatt im 1966-Impala-Cabrio mitzufahren, nahm Austin den Krankenwagen mit Blaulicht in Richtung Hershey Medical Center.
    Er erholte sich, was nicht weiter verwunderlich war. Sein Körper, dessen Knochen gebrochen und Haut aufgeschürft war, heilte. Niemand sagte jemals, er würde nie wieder Football spielen. Austin spielte einfach nie wieder.
    Auch nicht Basketball, ebenso wenig wie im Frühjahr Baseball. Zu diesem Zeitpunkt waren seine Chancen, ein anderes College als das örtliche zu besuchen, und die Wahrscheinlichkeit, eines der zahlreichen Stipendien zu bekommen, die man ihm vorher angeboten hatte, schon fast gleich null. Aber falls es ihm jemals etwas ausgemacht hat, kein Stipendium für die Penn State bekommen zu haben, sagte er es mir nie.
    Und zu diesem Zeitpunkt hätte er es mir erzählt. Am Ende unseres letzten Schuljahrs redete Austin über alles mit mir.
    Wir waren ein merkwürdiges Paar, aber das ließ man uns nicht spüren. Ich hörte niemals Geflüster auf den Fluren. Keine eifersüchtigen Cheerleader versuchten, mir die schwarz gefärbten Haare auszureißen, und keine schleimigen, reichen Typen versuchten, ihn davon zu überzeugen, dass er ohne mich besser dran wäre. Wir gingen nicht zum Abschlussball, aber nur, weil wir beschlossen hatten, stattdessen lieber zu Hause zu bleiben, uns Softpornos anzusehen und zu vögeln.
    Als ich meiner Mom sagte, dass wir vorhatten zu heiraten, umarmte sie mich und weinte. Zwischen uns bewegte sich heftig ihr Bauch – sie war gerade mit Arthur schwanger. Falls sie den Verdacht hatte, dass ich Austin nicht nur aus Leidenschaft heiraten wollte, sondern ebenso sehr, um ausziehen zu können, sagte sie es nicht.
    Als wir es seinen Eltern sagten, schwieg sein Dad, und der Blick seiner Mutter senkte sich auf meine Taille. Sie fragte mich nicht, ob ich schwanger war, und sie muss erstaunt gewesen sein, nachdem die ersten Monate unserer Ehe verstrichen waren und mein Bauch flach blieb. Aber ganz gleich, was sie von mir als künftiger Schwiegertochter hielt, der Gedanke an ein uneheliches Enkelkind muss schlimmer gewesen sein.
    Ich trug ein Hochzeitskleid aus dem Discountladen, und Austin hatte einen Anzug von seinem Dad an, den wir auf unsere Kosten hatten reinigen lassen. Auf den Fotos lassen mich die dicken schwarzen Eyeliner-Balken und mein zu Stacheln gegeltes schwarzes Haar blass und fahl aussehen. Müde. Sogar ängstlich.
    Aber in Wahrheit war ich einfach nur glücklich.
    Es gefällt mir zu glauben, dass wir beide

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