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Anonym - Briefe der Lust

Anonym - Briefe der Lust

Titel: Anonym - Briefe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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sollten. Die Freunde meines Dads kannten mich ebenfalls, hatten aber aus irgendeinem Grund weniger Hemmungen. Vielleicht weil sie mich schon länger kannten oder weil sie nicht in einem Loyalitätskonflikt waren. Einige von ihnen mochten Stella nicht besonders, vielleicht spielte auch das eine Rolle.
    Die anderen Kinder meines Vaters sah ich nur selten. Gretchen, Steve und ich waren uns nie besonders nahe gewesen, obwohl es nicht meine Mutter gewesen war, die ihrer Mom unseren Dad abspenstig gemacht hatte. Natürlich waren ihre Ehepartner unsicher, wie sie sich mir gegenüber verhalten sollten, und es war am einfachsten für uns, extrem höflich zueinander zu sein, ohne zu versuchen, uns wirklich kennenzulernen. Ihre Kinder waren meine Nichten und Neffen oder würden es sein, aber ich bezweifelte, ob sie jemals an mich als an ihre Tante denken würden.
    „Paige DeMarco, wie zur Hölle geht es dir?“ Denny war einer der ältesten Freunde meines Dads. Seit der Highschool waren sie Kumpel, gingen zusammen fischen oder auf Kneipentour. Denny kannte auch meine Mom.
    „Hallo, Denny. Lange nicht gesehen.“
    „Genau. Und du bist jetzt ein Großstadt-Girl. Wie geht’s denn so?“ Denny drückte mich kurz.
    „Sehr gut.“ Das war nicht vollständig gelogen. Ein großer Teil meines Lebens war tatsächlich sehr gut.
    „Ja?“ Er schüttete den Rest seines Eistees hinunter. Schätzungsweise lechzte er nach einem Bier, aber Stella servierte keinen Alkohol. Was ich durchaus verstehen konnte. Alkohol verändert jede Party. „Wo wohnst du? Dein Dad sagte mir, irgendwo am Fluss?“
    „Riverview Manor.“
    Ich gebe zu, ich war ziemlich stolz, als er einen beeindruckten Pfiff ausstieß. „Nette Gegend. Und dein Job? Du arbeitest nicht mehr bei deiner Mutter, oder?“
    „Ich helfe gelegentlich aus, wenn sie sehr viel zu tun hat.“ Denny betrachtete sein leeres Glas und verzog das Gesicht, hatte aber anscheinend nicht vor, sich Nachschub zu holen. „Was macht sie so? Ist sie immer noch mit demselben Mann zusammen?“
    Solche Fragen stellte Dad mir nie. Ich war der einzige Teil vom Leben meiner Mutter, der ihn interessierte. Das hatte er nie so gesagt, aber es war mir dennoch klar.
    „Leo? Ja, sie sind noch zusammen.“ „Und der Junge, wie alt ist er jetzt?“
    „Arty ist sieben.“ Ich lachte auf. „Wow. Tatsächlich. Er ist gerade sieben geworden.“
    „Grüß sie von mir, okay?“
    „Natürlich.“
    Danach redeten wir noch eine Weile über Belangloses. Die Party wurde lebhafter. Stella regierte ihr Fest würdevoll wie eine Königin, selbst wenn sie behauptete, immer noch neunundzwanzig zu sein. Als sie begann, die Geschenke zu öffnen, dachte ich daran, so lange das Zimmer zu verlassen, aber dann zwang ich mich zum Bleiben.
    Stella saß in dem großen Schaukelstuhl im Wohnzimmer, die Geschenke waren zu ihren Füßen aufgestapelt, und ihre beste Freundin stand neben ihr, um die einzelnen Geschenke und deren Geber zu notieren. Stella öffnete Grußkarten und Umschläge mit Gutscheinen für Wellnessbehandlungen, Päckchen mit Badesalz, Pullovern und Hausschuhen. Sie wickelte einen seidenen Morgenmantel aus, den jemand von einer Japanreise mitgebracht hatte. Und bei jedem Geschenk oohte und aahte sie ausführlich.
    Als sie schließlich nach meinem Päckchen griff, hatte mein Magen bereits begonnen, sich selbst zu verdauen. Die Magensäure stieg mir in die Kehle und verursachte dort einen brennenden Schmerz. Mein Herz pochte schwächlich vor sich hin. Ich musste mich abwenden, um ein paar weitere Antacid-Tabletten einzuwerfen und an einem Glas Gingerale zu nippen, obwohl ich wusste, dass die Limonade die Wirkung des Medikaments aufheben würde.
    Es ist dumm, ständig an die Vergangenheit zu denken, aber wir alle tun es. Ich war schon fast zehn, als ich zum ersten Mal zu Stellas Geburtstagsfeier eingeladen wurde. Die Farbe in ihrem neuen Haus war noch nicht ganz trocken. Gretchen und Steven lebten eine Woche bei ihrer Mutter und die andere bei meinem Dad und Stella. Ich wohnte natürlich durchgehend bei meiner Mutter und sah meinen Dad gelegentlich am Wochenende oder während der Ferien, und das auch erst, nachdem er sich von seiner ersten Frau getrennt hatte.
    In jenem Jahr hatte ich mein Geschenk für Stella ganz allein ausgesucht und es von meinem Taschengeld bezahlt. Ich hatte ihr ein seidiges rotes Tanktop mit Spitzensaum gekauft. Es war ein Oberteil, das meiner Mom sehr gut gefallen und das sie oft getragen hätte.

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