Anonym - Briefe der Lust
„Das wäre toll. Vielen Dank.“
Hinten im Laden stand ein Gestell mit billigen Höschen mit einem Schlitz im Schritt und federgeschmückten BHs. Es handelte sich eindeutig nicht um Wäsche von Victoria’s Secret. Keines dieser Kleidungsstücke sah aus, als würde es auch nur einmaliges Tragen überstehen, ganz zu schweigen von dem, was in der Waschmaschine damit passieren würde. Trotzdem schaute ich die Sachen durch, spielte dabei mit den Bügeln herum und schob sie klirrend auf dem Metallgestell hin und her.
Ich betrachtete ein dünnes Korsett mit einem Muster aus wild durcheinandergedruckten Rosen. Meine Finger juckten, als ich den Stoff berührte, und ich konnte nur erahnen, wie schrecklich er sich auf meinen Brüsten anfühlen würde. Dennoch hielt ich das Ding vor meinen Körper und wandte mich dem Verkäufer zu: „Wie sieht das aus?“
Ich erwartete, dass er „gut“ sagen würde. Oder vielleicht „heiß“. Als er jedoch die Stirn runzelte, den Kopf schüttelte und den Mund verzog, fiel mein Selbstbewusstsein als einigermaßen attraktive Frau in einem Sexshop in sich zusammen wie ein Luftballon, in den jemand eine Nadel gepiekst hatte.
„Das steht Ihnen nicht“, stellte er fest.
Ich hängte das Korsett zurück an den Ständer und verschränkte die Arme vor der Brust. Nun bereute ich, dass ich mir nicht die Zeit genommen hatte, mich nach der Arbeit umzuziehen. Ich hätte mich in Jeans und T-Shirt wohler gefühlt als in meinen Pumps mit Acht-Zentimeter-Absätzen und dem knielangen Rock. Nur zu gern hätte ich meine Hände in die Hosentaschen gesteckt und sie vor seinen prüfenden Augen verborgen. Ich hatte morgens meine Kleidung nicht danach ausgewählt, jemanden zu beeindrucken, und nun gab er mir das Gefühl, ich sollte es lieber gar nicht erst versuchen.
Mit dem Flirten ist das so eine Sache. Noch vor Kurzem, als ich mich mit Eric unterhalten hatte, war ich mir vorgekommen wie die heißeste Braut der Stadt. Jetzt aber war ich mir nicht sicher, ob ich mich nicht lieber um einen Job als Glöcknerin bewerben sollte, wo mich beim Glockenläuten niemand sah.
„Kommen Sie mit.“ Er machte mir mit dem gekrümmten Zeigefinger ein Zeichen, ihm zu folgen.
Fast hätte ich mich geweigert. Sein Gesichtsausdruck hatte mich verlegen gemacht. Ich war verwirrt. Als mir klar wurde, dass ich mir nichts weiter dabei denken sollte, nickte ich und folgte ihm durch einen schmalen Gang, in dem billige Unterwäsche, riesige Plastikschwänze und anderes Sexspielzeug in Verpackungen mit bunten Bildern ausgestellt waren.
Umgeben von einem Meer von Titten, Ärschen, nackten Oberkörpern samt strammen Sixpacks bemühte ich mich krampfhaft, meine Blicke auf den Mann zu konzentrieren, der vor mir herging. Aber ich konnte nicht anders, als die Brüste, die auf der Schachtel mit der Aufschrift „Titten-Tornado, das Partyspiel!“ abgebildet waren, mit dem Busen zu vergleichen, der auf einer anderen Packung zu sehen war. Angeblich enthielt die außerdem eine Vagina, welche nach dem exakten Vorbild eines aktuellen Pornostars geformt war.
Als wir die hintere Wand des Ladens erreicht hatten, schaute sich der Verkäufer nach mir um. Durch eine offene Tür rechts von ihm konnte ich in die Nackttanzbar hineinschauen. Selbst zu dieser frühen Tageszeit rekelten und wanden sich die Mädchen auf einer kleinen Bühne. Alle paar Sekunden tauchte ein körperloses Bein mit einem Fuß, der in einem Schuh mit Wolkenkratzer-Absätzen steckte, in meinem Blickfeld auf. In der Bar musste es eine Tanzstange geben, die ich aber nicht sehen konnte.
„Möchten Sie sich da drinnen gern umschauen?“, erkundigte sich der Verkäufer.
Ich hatte fasziniert durch die Tür gestarrt, und meine Wangen brannten, obwohl ich nicht genau hätte sagen können, warum. „Nein, danke!“
Als er lächelte, funkelten seine karamellfarbenen Augen. „Sind Sie sicher?“
„Vollkommen sicher.“ Ich räusperte mich und deutete auf die Regale, vor denen wir standen. „Wollten Sie mir hier etwas zeigen?“
„Oh. Stimmt. Ja.“ Er reckte sich und zog ein Kästchen hervor.
Ich trat zurück und starrte die Schachtel an, die er in seiner geöffneten Hand hielt. Nicht weil sie zwischen Schwänzen und Pussys gelegen hatte, sondern weil sie geformt war wie ein Schatzkästchen und mit ihrem aufklappbaren Deckel eine kleinere Version der Schachtel war, die ich in Miriams Laden entdeckt hatte. Dieses Kästchen passte genau in die Handfläche des Verkäufers, der es
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