Anonym - Briefe der Lust
mit seinen gekrümmten Fingern umfasste. Die Schachtel war mit rotem Satin bezogen und mit einem Muster aus Schmetterlingen bedruckt.
„Wissen Sie, was das ist?“
„Nein.“ Ich schüttelte nachdenklich den Kopf und presste die Lippen fest aufeinander.
Er blinzelte und beobachtete mich genau. Dann machte er mir mit dem Finger ein Zeichen, näher zu kommen, und ich trat auf ihn zu. Als er die Schachtel öffnete, hielt ich den Atem an. Ich hatte keine Ahnung, was ich zu sehen bekommen würde. Beim Anblick der kleinen, mit einem Stöpsel verschlossenen Flasche schaute ich ihn fragend an.
„Ein uraltes chinesisches Geheimnis“, erklärte er. „Und ich rede nicht von Waschpulver.“
Der Verschluss der Flasche war mit einem durchsichtigen Plastikstreifen versiegelt, sie konnte also nicht allzu alt sein. Ich musste die Augen zusammenkneifen, um das Etikett lesen zu können. Es gelang mir aber nicht, die Worte zu entziffern, ich erkannte nur das Bild. Es handelte sich um einen stilisierten Schmetterling. Das sagte mir nicht viel.
„Es ist ein Gel, das den Orgasmus verstärkt. Für Frauen. Die Damen sind verrückt danach“, erklärte er in einem Ton, als würde er die Beichte ablegen.
Ein unsichtbarer Zollstock schob sich an meinem Rücken hinab. Meine Schultern strafften sich, meine Brüste hoben sich, und endlich gönnte er ihnen mehr als einen uninteressierten Blick. Er schaute nicht besonders lange hin, aber immerhin tat er es überhaupt.
„Wie wirkt es?“, erkundigte ich mich.
Er hielt mir die Schachtel hin, bis ich sie endlich in die
Hand nahm. „Es hilft Frauen, die Schwierigkeiten haben, zu kommen.“
„Ich …“ Dazu fiel mir nichts ein. Ich versuchte dennoch, etwas zu sagen, aber die Worte blieben mir in der Kehle stecken. Mein Rücken wurde womöglich noch gerader, meine Schultern ebenfalls. Während ich versuchte, ihm die Schachtel zurückzugeben, stützte ich die andere Hand auf meine Hüfte.
Er weigerte sich, das Kästchen zu nehmen. „Sie sagten, Sie suchen etwas für sich selbst. Wollen Sie mir erzählen, Sie möchten lieber hässliche Unterwäsche?“
„Ich brauche das hier nicht.“ Wieder hielt ich ihm auffordernd die Schachtel hin. „Das ist für Frauen, die Hilfe brauchen!“
Vielleicht war ich darauf vorbereitet, verlegen zu werden. Vielleicht hatte sich der Gedanke bereits in meinem Kopf festgesetzt, dass ich einen Gegenstand finden würde, bei dem es mir peinlich sein würde, ihn zu kaufen, so unglaublich es mir auch erschien. Vibratoren, die groß genug waren, um Raketen zu lenken, und Analstöpsel mit Pferdeschwänzen daran hatten mich nicht erröten lassen, aber diese kleine Flasche brachte meine Wangen zum Glühen.
Ich schaute dem Verkäufer ins Gesicht. „Das hier ist für Frauen bestimmt, die keinen Orgasmus haben können, stimmt’s?“
Er zuckte die Schultern und nahm mir immer noch nicht die Schachtel aus der Hand. „Es sollte helfen.“
„Sehe ich … Sehe ich so aus, als würde ich Hilfe brauchen? Dabei …?“
Es war mir schon passiert, dass Frauen mich gemustert und mit einem einzigen Blick niedergemacht hatten, aber nie zuvor hatte ein Mann mich mit seinen Augen so gründlich in meine Einzelteile zerlegt.
Männer gucken einfach nur. Sie finden die Körperteile, die ihnen gefallen, und lassen ihren Blick darauf ruhen. Möglicherweise wenden sie sich ab, weil es nichts gibt, was ihre Aufmerksamkeit fesselt, aber in meinem Fall ist es meistens so, dass sie noch einmal hinschauen, weil bei mir alles da ist, wo es sein sollte.
Dieser Typ guckte. Und guckte weiter. Er betrachtete jeden Zentimeter meines Körpers und fing dann wieder von vorne an. Dann richtete er endlich den Blick auf mein Gesicht und zuckte erneut mit den Schultern. „Süße, ein billiges Höschen wird dich nicht in Fahrt bringen. Das hier schon.“
Mit dem Wort „Süße“ verriet er sich. Aber die Erkenntnis, dass er nicht auf Frauen stand, machte es nur wenig erträglicher für mich, dass er fand, ich sähe wie eine Frau aus, die nicht wusste, wie sie es zum Orgasmus schaffen sollte. Ich schloss meine Finger um die Schachtel. Dann schob ich mein Kinn vor und stieß langsam den Atem aus, was jedoch meine brennenden Wangen auch nicht kühlte.
„Gut“, erklärte ich durch meine zusammengebissenen Zähne. „Ich nehme es.“
An der Kasse tippte er den Preis ein, während er über die Tänzerinnen plauderte und erzählte, dass sie an den Montagabenden mit „Jungs“ auftraten, falls
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