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Anonym - Briefe der Lust

Anonym - Briefe der Lust

Titel: Anonym - Briefe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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übereifrig. „Vielleicht habe ich nächstes Mal Glück und bekomme auch einen Liebesbrief“, erklärte ich lächelnd.
    „Das bezweifle ich nicht, meine Liebe“, antwortete Alice. „Dieses Gebäude ist das reinste Lustschloss.“
    Das stellte sie ohne das geringste Augenzwinkern fest, und ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Als sie begriff, dass sie keine Antwort bekommen würde, nickte sie mir zu und ging wieder nach hinten, um weiter die Post zu sortieren. Ich blickte hinunter auf die Nachricht in meiner Hand.
    Ich konnte nicht widerstehen, die Karte ein letztes Mal aufzuklappen, bevor ich sie in den richtigen Briefkasten steckte.
    Als ich nach draußen ging, wo mir die Sonne ins Gesicht schien, dachte ich immer noch über den Text nach. Ich wusste, dass sich meistens irgendjemand in der Halle oder vor dem Haus aufhielt, aber ich hatte kein Publikum erwartet. Doch als ich blinzelnd meine Augen öffnete, bemerkte ich, dass Mr Mystery mich beobachtete. Er stand neben einer der mit Sand gefüllten Schalen, die für Zigarettenasche und Kippen bestimmt waren, und sobald er sah, dass ich ihn anschaute, drückte er seine Zigarette aus und versuchte, sein Lächeln zu verbergen.
    „Erwischt“, stellte er fest.
    „Und noch dazu ohne Lasso“, antwortete ich und fand meine Reaktion ziemlich clever.
    Er lachte und betrachtete gierig die Kippen im Sand. „Ich versuche aufzuhören.“
    „Ein weiser Entschluss.“ Es überraschte mich, dass jemand rauchte, dem der Zustand seines Körpers offenbar so wichtig war. Aber der Anschein trog oft, das hätte ich wissen sollen.
    „Eric.“ Er hielt mir die Hand hin.
    „Paige“, erwiderte ich und griff zu. Meine Hand verschwand vollkommen in seiner.
    Eric scharrte mit seinen abgestoßenen Stiefeln. Heute trug er anstelle des langärmeligen T-Shirts ein verwaschenes AC/DC-Shirt unter einem offenen karierten Hemd mit Button-down-Kragen. An dem Hemd fehlten einige Knöpfe. Seine Haare, die hinten bis auf den Kragen reichten, waren vom Wind zerzaust. Auf seinen Wangen und der Kehle war ein Bartschatten zu sehen. Dunkle Stoppeln. Er sah müde und zerrauft aus, aber seine Hände waren sauber und seine Zähne weiß. Die Ledertasche, die neben seinen Füßen lag, war nicht billig gewesen, ebenso wenig die Armbanduhr an seinem Handgelenk. Solche Dinge fielen mir plötzlich an ihm auf.
    Er gähnte mit knackendem Kiefer und machte kreisförmige Bewegungen mit seinen Schultern, um sie zu lockern. Dabei schaute er aus dem Schatten hinaus in die Sonne und ließ seinen Blick über die Straße zum Fluss wandern. Dann wandte er sich mir mit einem Grinsen wieder zu. Ich hatte gerade weitergehen wollen und blieb nun doch stehen, als er einen Finger gegen seine Lippen presste. „Nicht weitersagen!“ Ich lachte. „Ihr Geheimnis ist bei mir sicher. Aber es ist gut, dass Sie aufhören. Rauchen ist nicht gut für Sie.“
    Er ließ den Kopf nach vorn fallen und linste mich dann durch seine dunklen, wirren Ponyfransen an. „Ich weiß. Es ist eine furchtbare Angewohnheit. Ich habe im College damit angefangen, und es ist mir nie gelungen, wieder damit aufzuhören.“
    „Aber jetzt tun Sie es, stimmt’s?“ Ich starrte in den Kübel mit den Kippen.
    Eric lachte leise in sich hinein. „Ja. Jedenfalls versuche ich es. He, es ist schön, dich offiziell kennenzulernen, Paige. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann mal wieder im Fitnessraum.“
    War das ein Versprechen? „Oh, sicher. Ich versuche, ein paarmal in der Woche zu trainieren. Nach der Arbeit.“
    Wieder gähnte er, und stieß anschließend einen langgezogenen Seufzer hervor. „Ja, ich auch. Aber jetzt habe ich gerade eine Zwölf-Stunden-Schicht hinter mir. Ich bin völlig fertig. Vielleicht komme ich trotzdem noch vorbei. Wir könnten ein paar Ausdauerübungen oder etwas in der Art machen.“
    „Okay. Sicher.“ Ich bemühte mich, lässig zu klingen, obwohl der Gedanke, dass Eric mir wieder beim Training helfen würde, mein Herz in meiner Brust auf und ab hüpfen ließ.
    Er betrachtete den Sand mit den Kippen darin, zog dann ein Zigarettenpäckchen aus der Tasche und hielt es prüfend hoch. „Nur noch eine drin. Die sollte ich einfach wegwerfen, stimmt’s?“
    „Das solltest du.“ Aber ich war mir sicher, er würde es nicht tun.
    Ich sah zu, wie er die Zigarette mit den Lippen aus dem Päckchen zog, bevor er das Papier zusammenknüllte und wegwarf. Dann zündete er ein Streichholz an, schützte es mit der gewölbten Hand

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