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Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte

Titel: Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S G Browne
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über meine Schulter zu werfen. »Ich finde es perfekt«, sagt sie und lächelt mich aus dem Spiegel an. »Was denkst du, mein Schatz?«
    Ich denke, dass ich eine zweite Meinung einholen sollte.
    In diesem Moment betritt mein Vater das Zimmer, und als er mich hier sitzen sieht, bekleidet mit einem Kittel, das Haar mit kleinen Spangen aus dem geschminkten Gesicht gesteckt, entfährt ihm ein »Ach du heilige Scheiße«, dann wendet er sich wieder ab und stapft aus der Küche.

KAPITEL 23
    Mitten in der Nacht wache ich plötzlich auf und kann nicht mehr einschlafen.
    Ich bin unruhig. Aufgewühlt. Kann nicht abschalten.
    Außerdem ist meine Haut unter der Maske aus Grundierung und Abdeckfarbe, die ich mit Hilfe meiner Mutter aufgetragen habe, so straff, dass es sich anfühlt, als hätte man mein Gesicht mit Formaldehyd vollgepumpt.
    Obwohl es stimmt, dass man durch das Einbalsamieren Krähenfüße und Lachfältchen loswird und fünfzehn Jahre jünger wirkt, als man laut Todesanzeige ist, sieht das Gesicht dadurch unter Umständen so fest und unecht aus wie die Brüste eines Pornostars. Außerdem ist der ganze Vorgang ziemlich blutig.
    Wer noch nie in einer Leichenhalle mit einer Kanüle in der Halsschlagader zu sich gekommen ist, während sein Gesicht sich aufbläht wie ein Heliumballon, kann das wahrscheinlich nicht verstehen.
    Nachdem ich das Make-up mit einem Handtuch und einer Flasche 2005er Napa Valley Pahlmeyer Chardonnay abgewischt habe, bin ich hellwach und suche nach etwas Ablenkung. Da meine Möglichkeiten mehr oder weniger auf Fernsehen und Wein beschränkt sind, nehme ich die Fernbedienung, zappe durch die Kanäle und versuche, die Dialoge verschiedener Sendungen nachzuplappern, um
meine Aussprache zu verbessern. Doch nach fünfzehn Minuten Walker, Texas Ranger und Der Prinz von Bel-Air kann ich nicht mehr.
    Ich habe keine Lust, hier im Zimmer zu hocken und Hallmark Channel oder Nickelodeon zu schauen. Ich will Tennis spielen, eine Fahrradtour machen oder durch die Straßen von Santa Cruz’ Innenstadt torkeln. Die Vorstellung, dass die Atmer bei meinem Anblick laut schreiend davonlaufen, bringt mich zum Lachen, und schneller, als man Nacht der lebenden Toten sagen kann, bin ich zur Kellertür hinaus, um einen vorzeitigen Morgenspaziergang zu machen.
    Um kurz nach zwei in der Früh durch die Gegend zu marschieren ist eine wirkungsvolle Methode, sich zerstückeln zu lassen. Doch im Keller meiner Eltern eingesperrt zu sein kommt mir immer mehr wie eine Gefängnisstrafe vor. Und die Exkursion zur Sigma-Chi-Bruderschaft, um Toms Arm zurückzuholen, hat mir Mut gemacht.
    Allerdings bin ich nicht total hirnverbrannt. Ich halte mich im Schatten, und jedes Mal, wenn ein Wagen vorbeifährt, spiele ich den besoffenen Penner. Sicher, um mich in der Öffentlichkeit blicken zu lassen, muss ich immer noch so tun, als wäre ich kein Untoter, trotzdem bin ich völlig aufgekratzt - das Gefühl der Freiheit, die Sterne am dunklen Himmel, die kalte Novemberluft auf meinem Gesicht. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich schwören, dass ich meinen eigenen Atem sehe.
    Zunächst laufe ich ziellos durch die Gegend. Ein ganz normaler Zombie, der mitten in der Nacht einen Spaziergang unternimmt. Doch schließlich wanke ich die Old San Jose Road hinunter, jenen ausgetretenen Pfad, den ich seit meinem Unfall unzählige Male entlanggetrottet bin. Nur
dass ich diesmal nicht zum Soquel Cemetery laufe, um meiner toten Frau einen Besuch abzustatten, sondern zu dem verlassenen Getreidespeicher.
    Ray ist noch wach und stochert in der glimmenden Glut herum; zu seiner Linken hocken, aneinandergelehnt, die Zwillinge, die Augen halb geöffnet, neben sich ein leeres Einmachglas. Ich hatte zwar schon gehofft, dass sie dem Verbindungsdesaster unbeschadet entkommen sind, dennoch bin ich erleichtert und beinahe überglücklich, sie tatsächlich wiederzusehen.
    »Morgen«, sagt Ray, und hebt seine Hand zu einem freundschaftlichen Gruß. Mir kommen fast die Tränen. Denn wenn sonst jemand seine Hand auf mich richtet, hält sie ein Wurfgeschoss aus abgelaufenen Lebensmitteln, ein Kruzifix oder einen Elektroschocker umklammert.
    Lächelnd und nickend nehme ich gegenüber den Zwillingen Platz, froh, dem Weinkeller entflohen zu sein und mich in der Gegenwart von Leuten zu befinden, die mich akzeptieren. Selbst ohne loderndes Feuer ist es warm hier. Ja gemütlich. Ein Zufluchtsort, frei von den Einflüssen und Regeln der Atmer. Selbst die

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