Anruf aus Nizza
mit Brigitte, fragte sie, ob sie etwas von Monikas Aufenthalt wüßte, und erklärte ihr die neue Situation mit Irene. Aber Brigitte wußte genauso wenig wie er, wo sich Monika und Robert aufhielten und welche Pläne sie hatten.
Eine Weile erwog er, ob er sämtliche Hotels in Neapel anrufen sollte. Je länger er aber darüber nachdachte, desto mehr verschanzte er sich hinter der Unmöglichkeit, Monika zu erreichen. Alles war vielleicht doch Schicksal, man sollte nicht zuviel dazwischenfummeln. Wenn es wirklich zu einem Krach in Ried kommen würde, nun gut — er liebte Monika, sie würde jederzeit ein Heim bei ihm finden.
Er unterließ jeden weiteren Versuch, Monika vor Irene zu warnen.
*
Ein kaum spürbarer Luftzug blähte die Tüllgardinen an der Balkontür. Der Schatten des Geländers bewegte sich auf den Gardinen, formte sich zu Quadraten und langen Rechtecken.
Ohne dieses Schattenspiel eigentlich zu bemerken, verfolgte es Monika aus halbgeschlossenen Augen, noch zwischen Schlaf und völligem Erwachen. Ihren linken Arm hatte sie unters Kopfkissen geschoben, auf ihrem rechten spürte sie diesen leisen Luftzug.
Sie drehte sich nicht nach Robert um. Es war so gut zu wissen, daß er da war, in dem anderen Bett neben ihr.
Und dann sah sie ihn aus dem Flugzeug steigen, gestern nachmittag war das gewesen, und sie hatten sich umarmt, lange und schweigend, und sie hatten nicht auf die Reporter geachtet, die unentwegt fotografierten.
Dann hatte Giulio, immer wieder aufopfernd hilfsbereit, die Reporter verscheucht, als sie zudringliche Fragen stellen wollten.
Abends dann, kurz vor dem Abendessen, hatte sich Giulio verabschiedet. Er habe, sagte er, noch einiges hier in Neapel zu erledigen, werde sich aber noch mal melden, ehe er nach Nizza zurückkehre.
Nizza war für Robert das Stichwort gewesen. Er meldete ein Gespräch mit Brigitte an, um sie zu bitten, Monikas Wagen per Bahnfracht nach München zu schicken. Als das Gespräch kam, sagte Robert zu Monika:
»Komm mit, Moni, und sprich ein paar Worte mit ihr. Sie wird sich freuen, deine Stimme zu hören.«
Und dann hatte er neben ihr gestanden, als sie ein paar verlogene Worte in den Hörer stammelte. Es war schrecklich gewesen, und irgendwo in ihrem Unterbewußtsein begann sie zu ahnen, daß sie von dieser letzten Vergangenheit niemals mehr ganz loskommen konnte.
Sie schlug die Augen ganz auf, war wach. Langsam drehte sie sich um, sie wollte Robert nicht wecken, sie wollte ihn nur schlafen sehen.
In jähem Erschrecken fuhr sie hoch. Roberts Bett war leer. Wo mochte Robert sein?
Und da war sie wieder, die Vergangenheit. Monika malte sich aus, daß Robert irgendwo unten saß, in der Hotelhalle vielleicht, und Tino Moreno saß neben ihm und erzählte ihm den ganzen Schwindel. Monika hatte Angst vor diesem Reporter, der ab und zu auftauchte, stets in respektvoller Entfernung und doch mit dem lauernden Blick einer hungrigen Hyäne.
Sie rief den Portier an und ließ sich die Uhrzeit geben. Es war schon halb elf.
Rasch stand sie auf, und als sie aus dem Bad kam, brachte ihr das Stubenmädchen einen großen Strauß blutroter Rosen mit Roberts Visitenkarte, auf die er geschrieben hatte:
»Es ist unmöglich, dich nicht zu wecken! Ich warte mit dem Frühstück unten auf der Terrasse!«
Vor dem Spiegel versuchte sie, ihr Haar zu ordnen.
Merkwürdig, gerade von Robert, den sie am meisten gefürchtet hatte, drohte ihr die geringste Gefahr. Er hatte ihr, noch auf der Fahrt vom Flugplatz in die Stadt, gesagt: »Bitte, sprich nicht mehr von dem, was geschehen ist. Wir können es nicht ändern, und Totes wird nicht lebendig, wenn man davon spricht.«
Nein, er würde nicht fragen.
Als sie auf die Terrasse hinaustrat, sah sie Robert und Giulio in einem angeregten Gespräch unter der rotweiß gestreiften Markise sitzen. Jetzt, dachte sie, jetzt verspricht er sich, Robert wird mißtrauisch, fragt, und dann ist es geschehen.
Sie nahm sich zusammen, zwang sich zu einem glücklichen, ausgeschlafenen Lächeln.
»Guten Morgen! Könnt ihr einer so rücksichtslosen Langschläferin noch einmal verzeihen?«
Sie sprangen auf, beide zugleich, Robert gab ihr nur die Hand, aber seine Augen ließen ihren Blick nicht los, und Giulio deutete seinen üblichen Handkuß an.
»Großartig«, sagte er. »Wirklich das Beste, Madame, zu schlafen so lange, bis alles vergessen.«
Herrgott, dachte sie, wie ungeschickt er manchmal sein kann. Sie setzte sich zwischen die beiden Männer und
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