Anständig essen
Kaste installierten sie da als die höchste und vornehmste? Richtig: die Kaste der Brahmanen. Ein bestürzend vorhersehbares Verhalten für Männer, die sich selbst als Gelehrte, Weise und Mystiker begriffen. Aber irgendwie auch nicht anders vorstellbar. Die meisten Menschen, sofern sie nicht an schweren Depressionen leiden, haben eine ziemlich hohe Meinung von sich selbst. Das ging dem Ur-Menschen vermutlich nicht anders. Viele Anthropologen vertreten dieMeinung, der prähistorische Mensch habe sich den schnelleren, größeren oder gefährlicheren Tieren seiner Zeit unterlegen gefühlt. Ich persönlich glaube das nicht. Positive Selbsteinschätzung gedeiht auch völlig unabhängig von der Faktenlage. Natürlich staunte der Mensch, wenn ein Mastodon majestätisch über die Wiese stampfte, neidisch sah er dem fliegenden Falken hinterher, aber kaum hatte er genügend Ich-Bewusstsein entwickelt, um Lebewesen und Dinge einordnen und bewerten zu können, stellte er sich hin, stemmte die Fäuste in die haarigen Hüften und sagte: »Aber das Beste von allem, das Schönste und Klügste ist doch der Mensch.«
Kein Tier widersprach. Auch Gott fand, dass der Mensch das Beste war, was er je erschaffen hatte. Jedenfalls, fanden die menschlichen Religionsvertreter, dass Gott das fand. Oder jedenfalls waren die Religionsvertreter, die fanden, dass Gott das fand, besonders erfolgreich. Religionen, die den Sinn der menschlichen Existenz im Nahrungsanbau für die Götter deuteten oder den Menschen auf einer Stufe mit den ebenfalls beseelten Tieren sahen, hatten keine Chance, gegen einen Glauben, der seinen Anhängern versicherte, etwas Besseres zu sein. In einem separaten Schöpfungsakt hergestellt, stand der Mensch weit über den Tieren, war der Mittelpunkt göttlicher Aufmerksamkeit und der eigentliche Grund, weswegen die ganze Chose überhaupt veranstaltet wurde. Pflanzen und Tiere wurden nur erschaffen, um eine hübsche Kulisse für das menschliche Schauspiel abzugeben.
Auch außerhalb der Kirchen kam man zur selben Überzeugung. Aristoteles drückte es so aus: »Da die Natur nichts ohne Sinn oder vergeblich tut, ist es unleugbar wahr, dass sie alles zum Wohl des Menschen geschaffen hat.« In der Psychologie nennt man so etwas übrigens Beziehungswahn.
Das würfe allerdings auch einige Probleme auf, wenn Gott kein wertender Gott wäre und das ganze Tier-, Mensch- und Pflanzenreich in seinen Augen gleich. Wie ließe sich dann rechtfertigen, was wir mit unseresgleichen tun? Also lieber ein Gott, der ein Ranking aufstellt, der den Superstar seiner Schöpfung kürt und dabei zufällig zu dem gleichen Schluss gekommen ist wie wir selber: Aber das Beste und Schönste von allem ist doch der Mensch.
Nachdem sich die Überzeugung, etwas viel Besseres als Molch oder Mammut zu sein, in den Menschenhirnen erst einmal festgesetzt hatte, fing man auch irgendwann an, nach Belegen dafür zu suchen. Das ist die übliche Reihenfolge. Erst weiß man, was Sache ist, dann sucht man Anhaltspunkte dafür.
Einer der Grundpfeiler des menschlichen Überlegenheitsgefühls ist der Stolz auf unsere Intelligenz. Zugegeben, kein Tier außer uns kann zum Mond fliegen, die Golden Gate Bridge bauen oder Sachertorte backen, aber leider kann ich persönlich das auch alles nicht und hoffe trotzdem sehr, dass mir deswegen nicht die Menschenrechte abgesprochen werden. Neugeborene, Menschen mit starken geistigen Behinderungen und Leute wie ich fließen also nicht immer mit in die Betrachtung der eigenen Gruppe ein, wenn von den erstaunlichen Leistungen des Homo sapiens die Rede ist.
Der Physiker Stephen W. Hawking spielte einmal mit dem Gedanken, das Weltall hätte deswegen intelligentes Leben hervorgebracht, um über sich selbst nachdenken zu können. Würde man dem Weltall diese für uns schmeichelhafte Absicht unterstellen, dann wäre also die ganze Evolution auf die Entstehung des Menschenzugelaufen und alle Tiere wären bloß eine Übergangslösung, eine Vorbereitung auf unser Auftreten. Die Evolution läuft aber weder einspurig noch zielgerichtet. Sie ist keine lange gerade Straße, auf der ein Fisch entlangrobbt, der sich langsam in eine Amphibie verwandelt, die allmählich Fell und Pfoten entwickelt und sich immer mehr aufrichtet, bis am Ende ein übergewichtiger Teenager mit einem Doppelwhopper in der Hand und dem neuesten iPod am Ohr den Zieleinlauf erreicht. Von dieser Idee hat die Wissenschaft längst Abschied genommen. Die Evolution ist ein
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