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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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beherrscht und dabei teilweise noch mit dem Rückenmark gedacht. Der Pfeilschwanzkrebs läuft und läuft und läuft als unveränderter Prototyp seit 550 Millionen Jahren auf dem schlammigen Grund der Meere. Nicht mal die Spoilerform wurde verändert. Das nenne ich erfolgreich! Wenn Erfolg ein Zeichen von Auserwähltheit ist, wie es die Calvinisten vermuten, dann muss Gott ganz vernarrt in seine Pfeilschwanzkrebse sein.
    In Wirklichkeit beweist Erfolg aber gar nichts, wie jeder erfolglose Schriftsteller bestätigen wird. Schließlich kommt ja auch keiner auf die Idee, Unkraut als die Krone der Schöpfung zu bezeichnen, bloß weil es alles überwuchert. Fast sieben Milliarden Menschen gibt es auf der Erde. Schon im Jahr 2050 könnte die Weltbevölkerung mit 9,5 Milliarden Individuen einen Stand erreicht haben, an dem es anfängt, richtig unangenehm zu werden. China kauft bereits weltweit Ackerflächen auf, und Spekulanten in der ganzen Welt machen es China nach. Wenn die Ressourcen noch knapper werden, gehen wir einander wahrscheinlich gegenseitig an die Gurgel. Dass eine Tierart aufgrund ihrer Spezialisierung kurzfristig einen so großen Überlebensvorteil erlangt, dass es zu einer Überpopulation kommt, ist übrigens nichts Ungewöhnliches. Nachdem solche Erfolg versprechenden Tiere ihren Lebensraum kahl gefressen und zerstört haben, sterben sie für gewöhnlich aus oder werden unter den neuen Bedingungen zumindest radikal dezimiert. Außergewöhnlich am Homo sapiens ist höchstens, dass es sich bei seinem Lebensraum um den gesamten Planeten handelt. Einfach umziehen, nachdem wir unsere Lebensgrundlage zerstört haben, geht jedenfalls nicht mehr. Wenn es so weit ist, wird sich nicht der Mensch als die erfolgreichste Spezies erweisen, sondern jenes Tier, das die Veränderungen, die der Mensch über diesen Planeten gebracht hat, überleben kann – die Kakerlake. Seit 400 Millionen Jahren überstehen Kakerlaken aufrund ihrer extremen Anpassungsfähigkeit und Genügsamkeit Eiszeiten, Hitze, Insektensprays und menschlichen Größenwahn. Ob Atomkrieg oder Klimakatastrophe, die Kakerlake könnte es schaffen.
    Der Mensch sieht sich gern als umsichtigen Verwalter und Gestalter der Erde. Laut Bibel hat Gott persönlich ihn aufgefordert, sich die Erde untertan zu machen. Dieser Planet ist aber noch nie zum Wohle der Menschheit verwaltet worden und erst recht nicht zum Wohle anderer Lebewesen. Die Erfolgsgeschichte des Homo sapiens ging bereits in vorhistorischen Zeiten mit der Zerstörung von Ökosystemen einher. 70 bis 80 % der amerikanischen Großsäugetiere wie Mammuts, Kamele und drei Meter große Riesenfaultiere hatte er schon ausgerottet, bevor auch nur das Gewehr erfunden worden war. Außerdem kann Homo sapiens immer nur von 12 bis mittags denken, strebt Lösungen nur dann an, wenn er keine Opfer dafür bringen muss, und ist völlig damit überfordert, eine Gefahr zu begreifen, die es so noch nie gegeben hat. Kurz vorm globalen Kollaps feiert es die deutsche Bundesregierung als großen Erfolg, wenn BMW tüchtig Autos nach China verkauft. Die Primaten-Intelligenz reicht offenbar nicht, um zu begreifen, dass wir einen Punkt erreicht haben, an dem weiteres Wirtschaftswachstum nur sehr kurzfristig zu mehr Wohlstand führen wird, sondern vor allem zu mehr Klimaerwärmung und den damit verbundenen langfristigen Kosten – unabsehbar hohen Kosten, die demnächst von uns allen getragen werden müssen. Dem Menschen die Sorge für die Erde anzuvertrauen hieß, den Bock zum Gärtner zu machen. Die Sache ging so lange gut, wie die Population eine gewisse Marke nicht überstieg und der technische Fortschritt nur ein gewisses Maß an destruktiven Möglichkeiten bot. Jetzt sind Maß und Marke überschritten. Intelligenz ohne die entsprechende soziale und ökologische Kompetenz ist als Evolutionsmodell vielleicht einfach nicht erfolgreich genug.
    Womöglich wird der Überlebensvorteil von Intelligenz sowieso stark überschätzt. Wenn man vom Neandertaler spricht, ist immer viel von wulstigen Augenbrauen und einem plumpen Körper die Rede; gern übergangen wird die Tatsache, dass er mit 1,8 Litern ein deutlich größeres Gehirn besaß als unsereiner mit bescheidenen 1,4 Litern. Obwohl sich die Vermutung aufdrängt, dass der Neandertaler intelligenter gewesen sein könnte als wir, hat die Wissenschaft das niemals ernsthaft in Erwägung gezogen. Das größere Gehirn erklärte man stattdessen als Symptom für die Kälteanpassung. Dabei

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