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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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sei. Draußen tobte ein Orkan, der jeden Schritt im Freien zum Kampf, zur Qual machte. Der Iglu war binnen drei Stunden völlig zugeweht, so daß sie zwar das unangenehme, beängstigende Sausen des Windes nicht mehr so unmittelbar hörten, trotzdem aber zur Untätigkeit gezwungen waren.
    Thomas rechnete ein wenig mit dem Tischcomputer an den Teilergebnissen herum, aber mehr aus einem Beschäftigungsdrang als aus der Notwendigkeit heraus. Die Verbindung zur Station, die vorläufig noch – er wußte, daß sich das schnell ändern konnte – verhältnismäßig gut war, brachte in die Eintönigkeit keine Abwechslung.
    Delands Anwesenheit nahm er eigentlich kaum noch wahr. Er gab jede Hoffnung auf, mit ihm irgendwie ins Gespräch zu kommen. Sie hatten sich die wenigen Handgriffe geteilt, saßen oder lagen die übrige Zeit und stierten vor sich hin. Auf ein längeres Biwakieren unter solchen Umständen waren sie nicht eingerichtet. Richard sollte einiges zum Lesen mitbringen.
    Thomas hatte ein Steckschach mitgenommen, aber weder Deland, den er sogar danach fragte, noch Richard konnten Schach spielen.
    Thomas riß einige Seiten aus einem Feldbuch und versuchte Evelyn nach dieser Altväterart einen Brief zu schreiben. Tonfolie hatten sie nicht mitgenommen. Aber es ging ihm nicht von der Hand. Ninas Bild drängte sich öfters dazwischen – und eigenartigerweise das von Evelyn Kavor, der anderen Evelyn, seiner Reisebekanntschaft.
    Er hatte auch keine Lust, Evelyn von seiner Misere mitzuteilen, gerade ihr… Und was sollte er ihr sonst schreiben? Er besaß noch nicht den nötigen Abstand.
    Nach einer Weile zerknüllte er die Zettel. Deland hatte Konserven warm gemacht. Sie aßen lustlos und schweigsam. Dann kroch Deland in seinen Schlafsack. Was blieb Monig übrig, als es ihm gleichzutun.
    Es war der erste volle Tag ohne Richard, und Thomas begann ihn bereits zu vermissen.
    Er schlief schlecht in dieser Nacht. Immer wieder weckten ihn das heftige Fauchen einer Orkanbö oder das Aufheulen des Windes draußen in den Spannseilen des Signalmastes. Er wurde auch munter, als Deland um Mitternacht aufstand, seine Kombination und Gesichtsmaske überstreifte, um die meteorologischen Ablesungen zu besorgen. Es dauerte lange, bis er wieder in den Iglu kroch. Im schwachen Schein des durch das Fenster dringenden Mitternachtslichtes sah er ihn kommen, eisverkrustet, schwer atmend.
    Hoffentlich läßt es bald nach, dachte Thomas. Die nächste Nacht war er an der Reihe. Das Ablesen der Daten draußen war nachgerade unzumutbar bei diesem Wetter. Erst Richard würde die Instrumente mit Fernanzeige bringen. In fünf Tagen. Bis dahin sollten sie sich hier herumschinden. Wie vor fünfzig Jahren. Bewährung konnte man so etwas auch nennen, dachte Thomas grollend.
    Der Teufel muß mich geritten haben, mich ausgerechnet für eine Tätigkeit in diesem Kombinat zu bewerben. Und jetzt sitze ich in einem verwehten Plastschaumiglu bei minus fünfzig Grad Außentemperatur, und über mich hin braust der Orkan. Verdammter Mist!
    In Mirny leben sie unter der Glaskuppel im Rivieraklima. Auch Antarktika! Da läßt es sich aushalten.
    Er ließ seine Uhr kurz aufleuchten. Ein Uhr. Da werden einige Nachtschwärmer aus der Pinguin-Bar kommen. Meine Reisegefährtin vielleicht auch. Oder war sie nur so zurückhaltend gewesen, weil ich sie vielleicht erschreckt hatte an jenem Abend in Moskau? – Auf eine Beleidigte mehr oder weniger kommt es nun auch nicht mehr an.
    Am Morgen weckte Thomas der Summer des Weckers. Der Sturm fegte mit unverminderter Heftigkeit. Das Fenster war zugeweht, das Licht drang stark gedämpft durch den Schnee. Deland war munter. Er lag auf dem Rücken, hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und bohrte mit dem Blick Löcher in die Iglukuppel.
    Thomas sagte einmal mehr »verdammter Mist«, kroch aus dem Schlafsack und begann das Frühstück zu bereiten.
    An diesem Tag hatte er den Eindruck, als erledige Deland seine Aufgaben noch legerer als sonst. Er hielt die Zeiten nicht genau ein, so daß er ihn mahnen mußte, und schmiß die Kombi so hin, wie er sie abgestreift hatte, so daß sie beim nächsten Anziehen noch nicht abgetropft war. Ansonsten lag oder saß er müßig herum oder rauchte im Vorraum eine Zigarette. Einmal lachte er kurz auf. Als ihn Thomas daraufhin erstaunt ansah, verzog sich sein Gesicht erneut zu einer höhnischen Grimasse.
    Am Nachmittag hatte der Sturm an Heftigkeit noch zugenommen. Die Funkverbindung war durch die

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