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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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trockenen, ionisierten Eiskristalle, die unaufhörlich die Antenne attackierten, gestört. Mehr als ein Lebenszeichen war nicht mehr auszutauschen.
    Thomas war an der Reihe, die meteorologischen Daten einzuholen. Er ging gebückt durch den Vorraum, in dem sie ihre Vorräte gestapelt hatten, und öffnete die Luke. Obwohl Deland vor zwei Stunden Bahn gemacht haben mußte, war der Eingang völlig verweht.
    Als er an den Zugang zur Station dachte, an die Wärmestrahler dort, stieg schon wieder Wut in ihm auf, noch dazu, weil Deland die Tür ziemlich nachlässig geschlossen hatte. Sie würde nachher bestimmt nicht mehr schließen, und er durfte dann das Eis weghacken.
    Mit dem Spaten schaufelte er sich frei, dann kroch er nach oben. Dort packte ihn der Sturm mit solcher Gewalt, daß er neben das Spannseil griff und hinstürzte. Nur mit größter Anstrengung gelang es ihm, das Seil zu fassen und sich Schritt für Schritt zur Wetterstation zu tasten. Zu sehen war nichts. Ihn umgab ein in unzählige Striche zerlegtes Grauweiß. Er kam sich vor wie ein winziger Punkt auf der Zeile eines empfangsleeren Schwarzweiß-Bildschirms. Es prasselte an seiner Brille. Er kämpfte wie gegen eine Wand, die unaufhörlich auf ihn einstürzen wollte.
    Was müssen das für Kerle gewesen sein, Amundsen, Scott, aber auch die Forscher aus der Sowjetunion, den USA in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Ihre Arbeit spielte sich unter solchen Bedingungen ab. Vor vierzig Jahren wurden hier Bohrungen fündig, man entdeckte die Lagerstätten, die sie heute abbauen wollten…
    Irgendwie taten ihm die Pioniere der Antarktis leid. Er war nicht der Mensch, der so etwas bewunderte. Genausowenig, wie er einen Bergsteiger bewundern konnte, der einige Tage unter Mühen und Gefahren in einer Wand hängt, nur weil er vom Gipfel heruntersehen möchte.
    Bei diesen Überlegungen drängte sich ihm ein neuer Gedanke auf, einer, den er vor kurzem noch nicht kannte: Ohne jene Männer, ohne ihre Erfahrungen könnten solche großartigen Projekte heute nicht in Angriff genommen werden. Und deine geliebten Bequemlichkeiten, Tom, sind ihnen, jenen Gipfelstürmern aller Zeiten, zu verdanken…
    Die völlig vereiste Tür des Wetterhauses brachte Thomas in die Wirklichkeit zurück. Er mußte sie förmlich aufbrechen, dann riß sie ihm der Orkan aus der Hand. Nur mit größter Mühe gelang es, sie hinter sich zu schließen.
    Thomas mußte eine Weile verschnaufen, dann sprach er das, was er ablas, auf sein Taschenband. Da er durch die Brille nichts erkennen konnte, nahm er sie ab. Die wenigen Augenblicke genügten, um seine Augen durch die Kälte zum Tränen und Schmerzen zu bringen. Er begann zu fluchen – und hatte vergessen, das Band abzuschalten. Auch egal, sollten sie es ruhig hören, die Auswerter!
    Nun die Tür. Er brachte sie in der Tat nicht zu, mußte hacken. Thomas schwitzte unter der Gesichtsmaske. Es war zum Aus-der-Haut-Fahren. Schluß, aus! sagte er sich, die Messungen werden abgebrochen. Beschluß! Wir sind keine Automaten. Wer Werte braucht, soll rechtzeitig daran denken.
    Erschöpft kam er in den Wohnraum. Das erste, was er sah, als er die angelaufene Brille von sich warf, war Dunst. Deland lag auf seinem Bett und – rauchte!
    Thomas war sprachlos. Jetzt lag der da und rauchte im Wohnraum, der ohnehin sehr eng war.
    Und dann sagte er bebend, noch ruhig: »Lassen Sie das augenblicklich!« und brüllte plötzlich: »Unverschämtheit!«
    Deland sah Thomas an, eine ganze Weile. Thomas zitterte vor Erregung.
    Dann drückte Deland betont langsam, mit einem fast fühlbaren geringschätzigen Blick und höhnisch nach unten gezogenen Mundwinkeln die Glut aus und blies den Rauch des letzten Zuges aufreizend genießerisch von sich. Dazu sagte er pomadig: »Aber bitte sehr. Nur – zu sagen haben Sie mir in dieser Beziehung nichts.«
    »Das wäre ja noch schöner«, zischte Thomas, »mich hier tagelang von so einem verkrachten Kerl einräuchern zu lassen!«
    Als er »verkrachten« sagte, kniff Deland die Augen zu einem Spalt zusammen. Er blickte so wie einer, der im nächsten Augenblick ein Messer zieht – jedenfalls nach Thomas’ Vorstellung. Dann wandte er sich ab und drehte ihm den Rücken zu.
    Natürlich hatte er recht. Thomas konnte ihm das Rauchen nicht verbieten. – Immerhin fiel auf, daß unter den Amerikanern noch viele Raucher waren. Von zehn rauchten mindestens drei. Der Vorraum war separat belüftet, dort konnte Deland rauchen, aber hier…

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