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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Thomas, »aber vielleicht bis dahin…«
    Im Grunde genommen teilte er Richards Bedenken. Dieser »Wattwurm«, wie das Aggregat schon jetzt volkstümlich hieß, obwohl es hier noch keiner ausprobiert, geschweige denn gesehen hatte, soll eine unglaubliche Konstruktion sein: Es frißt die Mineralien der unter Wasser gesetzten Lagerstätte in sich hinein, zermalmt, ja pulverisiert sie, durchsetzt sie – je nach Erzkonzentration abgewogen – mit Flotationschemikalien und stößt hinter sich die Verdauungsprodukte, verschäumtes Erzkonzentrat und Gesteinsschlamm, aus. Daher der Name »Wattwurm«, nach irgendeinem Wurm im Meer, der mit organischen Stoffen vermischten Sand frißt und Sand ausscheidet. Dabei steuert sich die Maschine selbst, setzt den Schaum unter Druck, der dann die Strecke hochsteigt und oben nur noch abgeschöpft zu werden braucht. Alles automatisch. Und weil die Tanks, die er mitführt, doch einmal leer sind, braucht man die Bohrlöcher.
    »Schließlich«, sagte Thomas, »können ja Taucher ran und messen, wenn er sich verlaufen hat. Du kannst dann den Bathyscaph fahren.«
    »Lieber ist mir, du hast richtig gemessen.«
    Das war es Thomas auch. Und er hatte die Zahlen öfters überprüft als eigentlich notwendig. Aber sein Reinfall aus der Strecke war ihm ständig so gegenwärtig, die möglichen Folgen einer Fehlmessung spukten so durch sein Gehirn, daß von innerer Sicherheit nicht die Rede sein konnte. Das ging so weit, daß er mitunter zweimal die Meßwerte registrierte, weil er fahrig und unkonzentriert war und – wütend. Wütend auf Lewrow wegen der vermeintlichen Ungerechtigkeiten, aber noch mehr der Kälte wegen, mit der er ihn behandelte. Er hatte eine Wut auf Mattau, der ihn in die Wüste geschickt hatte, auf seine unsinnige Berufswahl, auf die Antarktis, überhaupt auf alles. Auch auf Evelyn, die anscheinend recht behielt.
    Wenig später saß Richard bereits in der Fahrerkabine seines Mammuts und lehnte sich zu Thomas hinaus. Deland war ins Zelt zurückgekehrt und machte sich drin zu schaffen.
    Thomas rief zu Richard hoch: »Fahre aber herwärts vernünftig, daß du mir die Geräte nicht zum Teufel rüttelst, das hätte uns auch das Flugzeug besorgt.«

    »Hab keine Angst. Ich wickle alles noch einmal extra in Seidenfolie«, versicherte er augenzwinkernd. »Soll ich dir auch eine Locke von der Blonden von GEOMESS mitbringen?« Jetzt grinste er über das ganze Gesicht.
    Thomas hatte nicht angenommen, daß sein Verhältnis zu Nina so bekannt geworden war, und wurde verlegen. »Falls du Sehnsucht hast«, setzte Richard boshaft hinzu. »Hau ab«, sagte Thomas. »Außerdem weißt du gar nicht, ob sie noch blond ist.«
    Richard lachte, hob die Hand zum Gruß, rief: »Hol dir keinen Sonnenbrand«, dann warf er die Motoren an. Er drehte sofort voll auf, die Fußplatten des Mammuts bebten, dann setzte sich der Koloß in Bewegung. Der angekrustete Schnee stiebte, wirbelte, hüllte die klobigen Beine ein. Und dann rannte das Mammut los. Wenig später verrieten nur noch die Spuren, der aufgewühlte Schnee, daß ein fremdes Ungetüm aus Stahl und Plaste hier gerastet hatte. Das Sausen der Motoren hatte der Schnee geschluckt.
    Thomas sah hinterher. Jetzt sah das Mammut in der Ferne eher wie ein Dakkel aus. Die Beine, die so krumm waren, damit sich die vier Fußplatten beim Paßgang nicht behinderten, erinnerten an den Waldi aus einem seiner Kinderbücher.
    Er wandte sich um. Einzige Anhaltspunkte für das Auge waren der Polyurethan-Iglu, graugelb, und der Signalmast. Sie hoben sich störend von der weißen Unendlichkeit ab. Der nächste Sturm, dachte Thomas, wird das ändern. Dann werden ein Schneehügel und weiß vereiste, zapfenbehangene Seile, die einen Eisstachel halten, übrig sein.
    Thomas kroch zu Deland und bat ihn, mit ihm gemeinsam die kleine provisorische Wetterstation aufzubauen. Es war ein Teil ihrer Aufgabe, die Windverhältnisse und Temperaturen zu beobachten – Angaben für den künftigen Landeplatz der Lastflugzeuge.
    An den schweigsamen Deland hatte er sich gewöhnt. Deland tat nach wie vor zuverlässig seine Arbeit. Mitunter sah er Thomas nachdenklich an. Zuweilen hatte er auch wieder diesen höhnischen Gesichtsausdruck, aber damit hatte sich Thomas abgefunden.
    Thomas ließ ihn immer noch in Ruhe, obwohl er gern erfahren hätte, wie ein Mensch in seiner Zeit so werden konnte wie Deland.
    Nach dem Sonnenwetter des Vortags hätte Monig nicht geglaubt, daß das noch die gleiche Antarktis

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