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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Thomas brauchte lange, ehe er sich beruhigte.
    Kramer mit seiner Brüllerei kam ihm in den Sinn. Nun hatte er selbst gebrüllt, denselben angebrüllt. Verdammte Antarktis. Seine Wut suchte andere Ziele: Lewrow, das Kombinat, Evelyn, sich selbst. Bei sich selbst verweilte er nicht lange.
    Deland tat ihm plötzlich leid. Er sprach ihn an, erläuterte ihm noch einmal, daß er Rauch schlecht vertragen könne, daß er in die Augen beiße, daß er nicht schlafen könne in verqualmten Räumen.
    Deland drehte sich nur kurz um, sah Thomas mit undefinierbarem Gesichtsausdruck an und wälzte sich wieder zur Wand. Später stand er auf, um die Instrumente abzulesen. Als ihm Thomas sagte, daß die Messungen ausgesetzt werden, solange der Sturm tobte, zuckte er mit den Schultern, ließ seinen Schutzanzug einfach wieder fallen und rollte sich auf sein Lager.
    Zwei Dinge weckten Thomas am nächsten Morgen: Er überlegte, was es sein mochte. Es war still, und es roch. Als er die Augen öffnete, sah er über sich hinweg langsam sich kräuselnde Schwaden ziehen. Er fuhr hoch. Ihn interessierte nicht, daß der Orkan über Nacht aufgehört hatte zu toben. Deland rauchte! Lag – wie gestern – auf seinem Bett und rauchte.
    Thomas dachte: Er provoziert! Wozu? Was mache ich nun? Er war eigenartigerweise nicht wütend, und das war gut so.
    »Kollege Deland«, sprach er ihn ruhig an, »ich hatte Sie gestern gebeten, hier drin das Rauchen zu unterlassen. Was veranlaßt Sie, meine Bitte zu ignorieren?«
    Deland setzte sich auf, saß Thomas in einer Entfernung von drei Metern gegenüber, tat einen Zug und sagte ebenfalls ruhig: »Bitte ist gut! Und ich habe Ihnen gestern gesagt, daß Sie mir das Rauchen nicht verbieten können. Und da ich nun schon eine verkrachte Existenz bin, wie Sie und Ihr Herr Kollege Kramer mir klargemacht haben, und da ich als eine Art Handlanger eingesetzt bin, wäre ich neugierig zu erfahren, was Sie machen, wenn ich mich diesem Ihrem Wunsch widersetze.«
    Thomas setzten zwei Dinge in Erstaunen: erstens, daß Deland nach so langem Schweigen überhaupt noch in der Lage war, eine derartige Rede zu halten, aber mehr noch, daß er in fast akzentfreiem Deutsch sprach.
    Deland fuhr fort: »Ich kann weder mit einer noch unqualifizierteren Tätigkeit noch durch Verlust einer gewissen Achtung bei Ihnen und Ihresgleichen bestraft werden. Denn erstens bin ich unqualifizierter Gehilfe und zweitens bei Ihnen als Abschaum eingeordnet. Deshalb«, und jetzt sprach er heftiger, »interessiert es mich einen Dreck, ob Sie der Rauch stört, ob er Sie in die Augen beißt oder nicht. Mich interessiert auch nicht, was Sie denken!«
    »Kollege Deland«, sagte Thomas eigenartig berührt, und er fühlte, wie ihm das Blut zu Kopfe stieg. »Ich bitte Sie um Entschuldigung wegen meines heftigen Auftretens gestern. Der Sturm, Sie wissen…. und dann die für mich so ungewohnten Verhältnisse… Ich war gereizt. Es war nicht so gemeint.«
    Delands eigenartiges, nervöses Lächeln allein bewog Thomas, ihm nicht in einer Anwandlung von Verbrüderungsbereitschaft die Hand zu reichen.
    »Nicht so gemeint! Und Kramer? Meint er es vielleicht auch nicht so? Hört mir auf mit eurem ›Nicht so gemeint‹. Ihr seid einer wie der andere. Wie es euch gefällt.« Deland sprach lauter, verbittert: »Erst tretet ihr einen in den Dreck, und dann meint ihr, mit einem läppischen Wort – war nicht so gemeint – ist alles wieder in Ordnung. Aber nicht mehr bei mir!« Deland sprach sich in Rage. Dabei drückte er seine Zigarette, die noch nicht zu Ende geraucht war, im Deckel einer Konservendose aus.
    Der Stein des Anstoßes war beseitigt, der eigentliche Anlaß zum Streit nicht mehr gegeben. Aber Deland sprach – endlich, dachte Thomas. Und doch war es ihm peinlich, weil er irgendwie fühlte, daß dem Mann, unbeabsichtigt vielleicht, Unrecht geschehen war. Thomas wußte mit allem, was er sagte, überrascht von seinem unerwarteten Redefluß, plötzlich nichts Rechtes anzufangen.
    Ihm fiel unvermutet ein Geysir ein, den er in der Slowakei gesehen hatte. Er gibt sechsunddreißig Stunden scheinbar Ruhe, aber in Wirklichkeit spannt er sich, gegen inneren Druck. Dann fängt er an zu rumoren, zu brodeln, quillt schließlich über den Schlund, steigt höher und höher, mächtig und unnahbar als sprühende Säule, rauscht weithin und benetzt seine gesamte Umgebung mit übelriechendem, aber heilsamem Wasser.
    Thomas war neugierig, wie weit Deland aus sich herausgehen

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