Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
Blick auf Richard geheftet: »Wie habt ihr es geschafft in der Waschküche?« Es klang, als blättere Emaille von einem Eimer, und es machte ihm sichtlich Mühe zu sprechen.
    Thomas tat bewußt gleichgültig, ging dann in den Vorraum und machte sich an einem Behälter zu schaffen. Er hörte hinter dem Vorhang Richards knappen Bericht, hörte ihn kurz auflachen, als er von dem kuriosen Einfall mit der Lit2e sprach, hörte aber auch, wie Richard eingestand, daß es unter diesen Umständen vielleicht das einzige Mittel war, Deland herauszuholen.
    Deland sagte nichts, auch nachdem Richards knapper, humoriger Bericht zu Ende war.
    Thomas kam sich auf einmal mit seiner Kramerei albern vor. Er beschloß, in den Wohnraum zurückzugehen, blieb aber hinter dem Vorhang kurz stehen und sah durch den Spalt.
    Deland lag auf dem Rücken und stierte zur Decke. Richard stand am Kocher und kratzte einen Behälter leer – offenbar war ihm eingefallen, daß Deland über fünfzehn Stunden nichts gegessen hatte. Der dritte Mann im Raum, Richards Begleiter Charles, ein schweigsamer Ire, machte sich an einem Instrument zu schaffen.
    Als Thomas eintrat, drehte Deland den Kopf. Wie selbstverständlich streckte er ihm die Hand entgegen und sagte: »Dank, Tom!«
    Thomas würgte es plötzlich im Hals. »Schon gut«, sagte er belegt, dann überlaut zu Richard: »Was macht dein Menü? Ich habe einen mächtigen Hunger!« Er half Richard beim Austeilen des Geschirrs und tat die kräftige Brühe mit auf. Deland aß mit Appetit, beinahe heißhungrig.
    »In drei Tagen«, sagte Thomas, »sind wir hier fertig, wenn ihr beide mir helft.« Dabei sah er Richard und Charles, den Iren, an. »Ich kann auch«, sagte Deland.
    »Du nicht«, erwiderte Thomas bestimmt; ganz selbstverständlich redete er ihn in deutsch und mit Du an. »Deine angefrorenen Zehen brauchen mindestens eine Woche. Du kannst schon auswerten.«
    Thomas wunderte sich über sich selbst: Der Mann Deland hatte ihm geschadet, empfindlich geschadet. Er hatte ihm zusätzliche Mühe bereitet, ihn in Gefahr gebracht. Trotzdem war er ihm nicht gram.
    Thomas hatte lange nachgedacht. Er glaubte nun, Deland zu verstehen. Es war nicht persönlicher Haß, nicht Sabotage. Es war vielleicht eine Art skurriler Notwehr gegen eine fremde, feindlich empfundene Umwelt. Er wollte sich Genugtuung für vermeintliches Unrecht, das ihm geschah, verschaffen.
    Der Mann fühlt sich isoliert, konstatierte Thomas, ohne Kontakt zu seinen Landsleuten, weil jeder von denen mit sich selbst zu tun hat, und erst recht ohne Kontakt zu uns. Und, was schlimmer war, ohne Verständnis von unserer Seite. Das war nicht allein seine Schuld.
    Thomas räumte das Geschirr zusammen. Auf dem Feldtisch lag eine Packung Zigaretten. Einer plötzlichen Regung folgend, klopfte er eine heraus und bot sie Deland an. Der schüttelte beinahe erschrocken den Kopf, Thomas blieb hartnäckig. Schließlich griff Deland zu, und Thomas gab Feuer. Deland machte einen tiefen Zug, dann lachte er. Es war ein fast lautloses, herzliches, befreiendes Lachen, ohne die sonstige Ironie. Thomas lachte mit, Richard grinste, Charles sah etwas verständnislos auf die Szene. Dann sagte Richard: »Euch zwei hätte man früher ins Eis schicken sollen – an der Leine natürlich«, fügte er anzüglich hinzu.
    Obwohl sie der Arbeitsschutzinspektor ebenfalls zurückrufen wollte, setzte sich Thomas halsstarrig durch. Ich will euch zeigen, dachte er, daß ich ein Kerl bin, daß ich Stehvermögen habe.
    Richard versuchte er durch das Argument zu überzeugen, daß der Abbruch der Messung kurz vor ihrer Vollendung unrationell sei, da ein zweiter Meßtrupp die Arbeit später unter größerem Aufwand weitermachen müsse.
    Der Empfang in TITANGORA war so, wie Thomas es sich vorgestellt hatte. Die letzten Kilometer hatte er unruhig neben Richard gesessen und voraus in die weiße Öde geschaut.
    Am Horizont tauchten zwei schwarze Punkte auf. »Donnerwetter«, sagte Richard, »die schicken sogar eine Eskorte!«
    Tatsächlich wurden die Punkte zu zwei Mammuts, die ihnen wiegend entgegenkamen. Trotz seiner Angespanntheit bewunderte Thomas die sich nahenden Maschinen, die sicher und schnell mit ihrem komplizierten Mechanismus durch den Schnee stapften.
    Dann waren sie neben ihnen. Man sah lachende Gesichter und winkende Hände hinter den Fenstern.
    Selbst Pajew hatte es sich nicht nehmen lassen, als Leiter der Station zur Begrüßung mit vor den Wohntrakt zu kommen, und

Weitere Kostenlose Bücher