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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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ihm noch nie gehört hatte. »Mach dir keine Gedanken, du hast bisher getan, was du tun konntest. Behalte die Nerven. Wir verfahren so wie abgesprochen, du kannst jetzt nichts machen.«
    Thomas durchströmte einen Augenblick tiefe Befriedigung. Es mußte also erst etwas passieren, bevor Lewrow einen für voll nahm.
    Dann wiederholte er: »Ich stelle also meinen Sender auf Dauerton für Richard und erwarte ihn hier. Ich unterbreche nur, wenn Deland unterdessen auftauchen sollte. Habe verstanden, Ende.«
    Thomas sah zur Uhr. Zweieinhalb Stunden war Deland draußen. Wenn er sich bewegte, war alles gut. Aber wenn er resignierte in seiner Stimmung, sich etwa hinsetzte, wurde es gefährlich.
    Das tut er nicht! Schließlich ist er Soldat. Er hält durch. Er hat außerdem mehr Erfahrung als ich.
    Thomas stellte seinen Sender auf Dauerzeichen als Leitrichtung für Richard. Dann setzte er sich auf sein Bett, dachte sich in Delands Lage. Was würde ich tun, wenn ich jetzt bereits seit zweieinhalb Stunden dort draußen herumirrte? Ich würde rufen. Und wenn sich niemand meldet? Und immerzu laufen? Sich womöglich immer weiter vom Iglu entfernen? Also warten, bis sich das Wetter bessert. Das bedeutet erfrieren. Ein Teufelskreis!
    Ich kann aber hier keine sechs Stunden untätig herumsitzen. Angenommen, er ist in ernster Gefahr. Er wird denken, daß ich ihn bewußt nicht suche. Und er weiß, daß mir bei diesem Wetter niemand einen Vorwurf machen würde.
    Noch in Gedanken stand Thomas auf und begann mechanisch die große Außenausrüstung zusammenzusuchen.
    Dann hatte er sich entschlossen. Es kam auf jede Minute an. Er sichtete eilig, aber überlegt, die Bestände. Es hatte keinen Sinn, wenn Richard nachher zwei Vermißte aufzuspüren hatte. Endlich fand er, wonach er suchte: mehrere tausend Meter dünnste, beinahe unzerreißbare Litze, wie sie zum Hochlassen von speziellen Versuchsballons verwendet wurde. Er packte den Tornister und zog sich sorgfältig an. Danach besprach er für Richard ein Band, vergewisserte sich, daß Funkgerät und Stromversorgung in Ordnung waren, und ging.
    Der Bodennebel war eher noch dichter geworden. Oben blendete das Weiß.
    Das Schwierigste bei der Vorbereitung seines Unternehmens stand ihm nun bevor: Thomas war nie ein Sportler gewesen. Aber er kletterte den zwölf Meter hohen Signalmast, der ihm wie der Berliner Fernsehturm erschien, verbissen hoch. Er hieb sich Kerben, die er als Stufen benutzte, in die Eisverkrustung. Ganz oben befestigte er die Litze. Dann stieg er wieder herunter, schulterte ein Bündel Vermarkungspfähle und marschierte, eine abrollende Litzespule in der Hand, los.
    Die Litze sollte sein Ariadnefaden sein, der ihn – und hoffentlich Deland – zum Iglu zurückbrachte. Thomas war stolz auf seine Idee.
    Zunächst nahm er sich die Wetterstation vor. Er stolperte bis zur Schneewehe am Orientierungsseil entlang, und dann tastete er sich durch den Schnee. Die Wehe war etwa dreißig Meter lang, dann bildete sie einen Grat, und unmittelbar dahinter, er erschrak sogar ein wenig, hob sich klotzig – übertrieben aufgebläht wie alle dunklen Gegenstände in der Weißen Finsternis – die Wetterstation aus der Einförmigkeit heraus.
    Deland war hier gewesen! Die Kontrolltafel zeigte es.
    Also, schlußfolgerte Thomas, hat er sich erstens auf dem Rückweg verlaufen, und zweitens tat er es nicht mit Absicht. Er konnte sich nicht vorstellen, daß ein Mensch, der mit Selbstmordabsichten die Behausung verläßt, noch vorher eine Routine-Datenablesung vornimmt.
    Und nun begann Thomas, seinen Suchplan zu verwirklichen. Er hatte vor, erst einmal etwa siebenhundert Meter – so weit war seine Knallerei wahrscheinlich zu hören gewesen – geradeaus zu gehen, dort einen Pfahl zu stecken und dann an seinem Faden einen Kreis zu laufen, dessen Mittelpunkt der Signalmast war. Während des Laufens wollte er rufen.
    Theoretisch war sein Plan gut. Solange sich die Rolle in seiner Hand drehte, konnte er sicher sein, daß er sich vom Iglu weg bewegte. Wenn er dann beim Kreislaufen die Litze immer straff hielt, war nichts zu befürchten. Ich muß zum Ausgangspunkt, dem Pfahl, zurückkehren, folgerte er. Daß sich ein wenig Litze um den Signalmast wickeln würde, fiel nicht ins Gewicht. Er hatte sie extra hoch angebunden, damit sie nicht etwa an der Wetterstation oder am Iglu hängenblieb.
    Wie gesagt, die Theorie war gut. Auch die Praxis wäre es gewesen, wenn er sich auf einem Parkett oder wenigstens einem

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