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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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selbstverständlich war Lewrow auch da. Bart und synthetischer Pelz seines Kragens bildeten ein einheitliches Gestrüpp.
    Thomas hatte einen Augenblick das Gefühl, all der Aufwand galt nicht so sehr seiner Heldentat, sondern weil derartige Ereignisse rar wurden, also einfach, weil es etwas zum Erleben gab.
    Lewrow wurde die Ehre zuteil, als erster Thomas zu begrüßen. Er nahm dessen Rechte in seine beiden Hände und schüttelte sie für Thomas peinlich lange. »Ich danke dir«, sagte er. In seinem Bart glitzerten Eisnadeln.
    Es folgte weiteres Händeschütteln, Schulterklopfen, anerkennendes Gemurmel. Dann hatten sie es eilig, in den Trakt zurückzukehren. Thomas bekam den Eindruck, daß Lewrow fror. Er grinste schadenfroh.
    Dann wunderte er sich. Das Triumphgefühl, farbig ausgemalt und gedanklich ausgekostet, wollte sich nicht so richtig einstellen. Irgendwie hatte er nicht mehr den kratzenden Groll auf Lewrow, jetzt, als dieser frierend vor ihm ging, einen halben Kopf kleiner, ein wandelnder, angereifter Webpelz.
    Für die Rückkehrer war ein kleines Fest arrangiert worden – antiquiert, wie es modern war: Alles, was Automat hieß, war verbannt. Statt dessen Kerzen, wer weiß wo aufgetrieben. Wein, die Flaschen von Hand zu öffnen. Die Gerichte wurden von denen, die meinten, es zu können, mehr oder weniger geschickt serviert. Hinter der Saaltür hörte aber das Getue auf, in der Küche hatten die Automaten die Herrschaft beibehalten. Die Vorkehrungen waren also eher komisch als feierlich.
    Die kleine Ansprache des Parteisekretärs, in der sogar der Begriff »Heldentum unserer Tage« vorkam, konnte gerade noch den Feierlichkeitspegel halten. Bereits unmittelbar nach der Rede brach hie und da die Heiterkeit durch.
    Selbstverständlich saß Thomas – zu seinem Bedauern – neben Lewrow. Sinnigerweise hatte man Nina ihm gegenüber plaziert, so daß er mit ihr kein Wort wechseln konnte, ohne daß es etliche mithörten. Es wurde insgesamt mehr eine Verlegenheitsunterhaltung. Thomas ließ sich dann auch nicht lange bitten und rettete sich in eine breite Erzählung des Suchabenteuers. Deland beteiligte sich ein wenig, schwächte dort ab, wo Thomas zu dick auftrug.
    Deland schien unruhig, zerstreut. Er war unkonzentriert, manchmal lachte er ein wenig gequält mit. Als Nina einmal in eigentlich unmißverständlicher Absicht gewissen Örtlichkeiten zustrebte, eilte Deland ihr nach und sprach sie an.
    Thomas beobachtete, daß er sie offenbar um etwas bat, sie aber Bedenken hatte, seiner Bitte zu entsprechen. Sie ließ ihn stehen mit einer Geste, die bedeuten konnte: Na gut, ich will es versuchen. Erst jetzt schien sich Deland bewußt zu werden, daß er Nina in einem unpassenden Augenblick angesprochen hatte. Etwas betreten nahm er seinen Platz wieder ein.
    Aber wenig später sprach Nina mit Lewrow. Thomas hörte, daß sie »Deland…« raunte und »… unbedingt sprechen wollen…«
    Lewrow schien ärgerlich, nickte dann aber Deland zu, und sie gingen beide hinaus.
    Als sie wiederkamen, war Deland ernster als vorher, beteiligte sich so gut wie überhaupt nicht am Gespräch, aber die Unruhe schien von ihm gewichen zu sein.
    ich dich zu Dienstbeginn bei mir…« Er sah interessiert in sein Weinglas, tauchte einen Finger hinein, um ein Korkstückchen zu angeln, und setzte so gleichgültig wie möglich hinzu: »Wir haben da einiges gutzumachen, denke ich.«

VI
    Thomas wurde am Abend von Pjotr, als jener von der Schicht kam, herzlich begrüßt.
    »Hast du ein Glück!« sagte er nach einem heftigen Händeschütteln.
    »Na, na«, antwortete Thomas selbstbewußt, »ich habe ihn ganz systematisch gesucht!«
    Pjotr winkte ab. »Weiß ich schon alles – das meine ich nicht. Morgen fahren wir den ›Wurm‹ an. Alles, was Beine hat, wird dabeisein. Du bist gerade richtig gekommen!«
    »Hm«, brummte Thomas. Es war ihm nicht so recht, daß sein Erlebnis so schnell von anderen Eindrücken überlagert werden sollte.
    »Na, hör mal«, maulte Pjotr, »du tust ja so, als ob das nichts wäre. Wir wühlen dafür schon drei Jahre im Eis herum!«
    »Ja, ja, ich weiß«, sagte Thomas müde. »Ich komme ja auch gerade daher – aus dem Eis.« Er machte sich an dem Automaten zu schaffen und setzte dann beiläufig hinzu: »Pjotr, ich habe mich manchmal gefragt – als ich da draußen war –, ob sich das lohnt. Dieser Aufwand, diese Strapazen…«
    Pjotr drehte sich zu Thomas um. Er hatte die Stirn gerunzelt, sah ihn groß an und setzte sich

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