Anthropofiction
in kulturellem Verhalten.
Dieser Gedanke ist sowohl Autoren von Belletristik als auch Primatologen gekommen. In John Colliers Roman »His Monkey Wife: or, Married to a chimp« (Seine Affenfrau oder Verheiratet mit einer Schimpansin) heiratet Mr. Fatigay, ein englischer Missionar im Kon go, Emily, eine Schimpansin, und spielt mit ihr Pygmalion. Der Romancier zeigt, wie selbstverständlich Emily lernte, wenn Mr. Fatigay anwesend war:
»Schließlich war sie der erklärte Liebling eines Lehrers, und bei den häufigen Gelegenheiten, wo sie ihn zur Schule begleitet hatte, hatte sie genügend Katzenbilder mit den Buchstaben KATZE daneben gesehen. Ist es so schwer zu begreifen, wie sie zum Verständnis der Funktion eines Buches gelangte und vielleicht so gar der abstrakteren Funktionen der Sprache? Vielleicht denken unsere Wissenschaftler das, die sich entschieden haben, die Intelligenz des Schimpansen einzig an seiner Reaktion auf eine Banane zu messen« (Collier, 1931:12).
Emily, die von Anfang an in Mr. Fatigay verliebt ist, wird, bevor sie eine Sprache zu sprechen gelernt hat, mit dem Problem konfrontiert, ihre Gefühle mitzuteilen:
»Wer hätte gedacht, wenn er die hübsche braune Gestalt so selbständig durch das Dorf trippeln, oder sie solch einen glatten Bogen am Ende eines wippenden Astes beschreiben sah, der sie gerade hier wieder zu Mr. Fatigays Füßen landen ließ, der beim Dinner auf der Veranda saß, wer hätte, wenn er das alles sah, gedacht, daß unter der ziemlich Charlotte-Brontë-haften Oberfläche in der Tat das Innere einer Charlotte Bronte steckte, voll sanften Stolzes, hoffnungsloser Hoffnung und schüchterner Entschlossenheit« (Collier, 1931:15).
Sogar George Schaller, der Erfahrung im Studium in der Wildnis lebender Affen hat, kann eine ähnliche innere Menschlichkeit bei den Gorillas nur widerstrebend ableugnen.
Während ich die Gorillas über Wochen und Monate hinweg beobachtete, ging eine feine Veränderung in meinem Denken über die Affen vor. Zuerst war ich höchst beeindruckt von ihrem menschlichen Verhalten, aber etwas Fundamentales fehlte, etwas, das ihre braunen Augen, wie ausdrucksvoll sie auch immer waren, nicht übernehmen konnten, nämlich ein Verständnismittel, um miteinander über die Vergangenheit und die Zukunft und über Dinge, die nicht direkt sichtbar waren, zu kommunizieren. (Schaller y 1968: 248).
Ohne Sprache keine Kultur
In Der Abtrünnige von Lester del Rey überbrücken mutierte Gorillas unter Anleitung des Helden der Geschichte, Harvey Lane, den Abstand zwischen tierischem und kulturellem Verhalten. Nachdem Harvey Lane die Außenwelt einmal über seine frühreifen Schüler informiert hat, wird wie verrückt nach ihnen gesucht. Daraufhin verläßt Lane seine eigene Spezies, um mit seinen Gorillas die Zivilisation abzustreifen. Er kehrt der menschlichen Kultur, da sie unerträglich böse ist, den Rücken und wendet sich einer neu gewonnenen Gorilla-Kultur zu. Aus der Unschuld tierischen Verhaltens neu in die Kultur hineingeboren, sind die Gorillas frei vom Bösen. Sie sind edler als der edle Wilde.
Die Idee des edlen Affen als unverdorbenes Modell der Menschlichkeit taucht in dem ersten Roman auf, der nach ihrer Entdeckung über die Affen geschrieben worden ist, in Melincourt von Thomas Love Peacock, erschienen 1817. Darin tritt eine stumme Person unter dem Namen Sir Oran Hautton auf, die in Wahrheit ein Orang-Utan ist. Er wird vorgestellt als
ein Exemplar des natürlichen und ursprünglichen Menschen – ein echtes Abbild des Adam der Philosophen (In Garnett, 1948:129).
Sir Oran tritt für Lord Monboddo ein, der in der Nachfolge des großen Linnaeus behauptet, der Orang sei eine Spezies der Gattung Homo. Linnaeus hatte den Orang als Homo silvestris klassifiziert, eine wörtliche Übersetzung des malaiischen Wortes Orang-Utan, das »Mensch der Wälder« bedeutet. Dieser Klassifikation sind die Wörter cogitat, ratiocinatur hinzugefügt, was bedeutet, daß Linnaeus dem Orang Denkvermögen und Urteilskraft zuschrieb.
Lord Monboddo folgte dieser Auffassung, indem er über den Orang-Utan schrieb, daß er
hinsichtlich seines sittlichen Charakters zweifellos ein Mensch ist, und ein viel besserer Mensch als viele, die man in zivilisierten Ländern trifft (Monboddo, 1779- 99, IV:55).
Alles in allem spricht Lord Monboddo dem Orang-Utan mehr Sinn für Höflichkeit, Humor, Bescheidenheit und Liebe zu, als dem Menschen. Er tut es mit der Begründung, daß der
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