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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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in der Zwischenzeit treten die Preußen in aller Ruhe und
nach den Regeln der Kriegskunst gegen sie an…
    Ned, ich befürchte, daß wir heute Zeugen eines blutigen
und schrecklichen Tages werden; und wenn er eine Entscheidung bringt,
kann sie nur zugunsten der Preußen ausfallen…«
    Aber ich hörte ihm kaum zu; denn am östlichen Horizont
hatte ich eine neue Erscheinung ausgemacht. Sie glich einer Festung,
deren Mauern die blitzenden Bajonette der französischen Soldaten
überragten; aber es war eine Festung, die zusammen mit der
Infanterie über die Ebene marschierte…
    Unfähig, meiner Erregung Herr zu werden, drehte ich mich zu
Traveller um und packte ihn an der Schulter. »Sir Josiah, seht
einmal nach vorne. Werden diese Preußen denn nicht kehrtmachen
und fliehen – davor?«
    Es war die Prince Albert. Wir hatten sie schließlich
gefunden!
    Der Landkreuzer driftete wie ein eiserner Ingot in diesem Ozean
aus feldgrauen Menschen. Hinter dem Schiff konnten wir Spuren
umgepflügter Erde ausmachen, die sich in einer schnurgeraden
Linie bis zum Horizont erstreckten. Traveller war von diesem Anblick
erfreut, konnte er ihn doch als Beweis dafür nehmen, daß
sein Anti-Eis-Antriebssystem immer noch einwandfrei
funktionierte.
    Es befanden sich sicherlich noch genügend Leute an Bord der Albert, die den Konstrukteur des Schiffes kannten und daher
auch das außergewöhnliche Luftschiff, das über ihnen
schwebte, einordnen konnten; denn vom Promenadendeck brandeten uns
Jubelrufe entgegen, und auch die Soldaten, die der schlammigen Spur
des Schiffes folgten, grüßten uns. Ich winkte zurück
und hoffte, daß man mich durch die Kuppel der Phaeton sehen konnte. Der ganze Vorgang war in meinen Augen auf jeden
Fall angenehmer, als unter Beschuß zu liegen.
    Aber Travellers Gesichtsausdruck war düster; durch das
Periskop inspizierte er die Schäden, die sein Schiff
aufwies.
    Fünf der sechs Schornsteine standen noch, obwohl ihr stolzer
roter Anstrich zerkratzt und lehmbespritzt war; an der Stelle, wo
sich ursprünglich der sechste befunden hatte, klaffte eine
schwarze Wunde wie der Mund einer Leiche, durch den man in die
dunklen Eingeweide des Schiffes blicken konnte. Als ich auf diese
Wunde starrte und mir die Einzelheiten jenes gräßlichen
Augusttages ins Gedächtnis rief, an dem das Schiff gestartet
war, schoß mir das Blut mit einem fast hörbaren Rauschen
in den Kopf.
    Die anderen Schäden schienen eher kosmetischer Natur zu sein.
Die glasüberdachten Freitreppen, die früher die Flanken des
Schiffes geziert hatten, waren abmontiert worden und hatten
Strickleitern weichen müssen – weil diese, wie ich
vermutete, im Falle eines Angriffes schneller eingezogen werden
konnten. Der Rumpf des Schiffes war nachträglich mit tausend
Schlitzen perforiert worden. Durch diese Schlitze erspähte ich
indes nicht die eleganten Salons oder die filigranen schmiedeeisernen
Kunstwerke, welche die Eleganz des Schiffes ausgemacht hatten,
sondern die häßlichen Schnauzen kleiner
Artilleriegeschütze.
    Der Landkreuzer war in der Tat in eine Maschine des Krieges
verwandelt worden.
    Travellers Zorn war tief und bitter. »Ned, wenn die
Preußen schon erkannt hätten, wie fragil die Albert wirklich ist, dann hätten sie sie sicher nicht unbehelligt so
weit nach Frankreich einfahren lassen.«
    »Aber wie Ihr seht, ist sie eine Ikone, ein Fluchtpunkt
für diese Franzen-Infanterie.«
    »Sie ist ein Symbol, kann aber auch nicht mehr sein. Ned, sie
wird diese armen Burschen eher in einen frühen Tod schicken als
zum Sieg führen.«
    Ich runzelte die Stirn und wandte mich dem nach Osten gehenden
Fenster zu. »Dann sollten wir lieber unverzüglich landen,
Sir Josiah, denn… Schaut!«
    Am Horizont, unterhalb des leuchtenden Kleinen Mondes, erschien
eine Linie aus glitzerndem Silber, dunkelblauen Uniformen, drohenden
Mündungen von Feldgeschützen und nervös
tänzelnden Pferden: Es war die aus Orleans ausgerückte und
in Gefechtsordnung aufmarschierte preußische Armee.
    Der Krieg war vielleicht noch eine halbe Stunde entfernt.
     
    Das schmuckvolle Schwimmbecken der Albert war entleert
worden und ihr Garten zu einer schlammigen Kuhle verkommen, die von
den Stümpfen gefällter Bäume durchsetzt war. Das ganze
Oberdeck starrte vor Artilleriegeschützen und Soldaten; diese
Elitetruppen boten ein buntes Bild, von schneidigen Husarenoffizieren
mit ihren schmucken Kalpaken bis hin zu Milizen -Männer und
Frauen – in Lumpen, die einst edle Bekleidung

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