Anti-Eis
großen Tafeln versehen, die auf das Herkunftsland
verwiesen. Diese Tafeln bestanden aus modernen Röhren, in den
elektrisches Licht glühte. Bismarck und sein Gefolge schritten
die Ausstellungsstücke mit Geduld und Interesse ab. Besondere
Aufmerksamkeit widmeten sie dem Stand der Vereinigten Staaten von
Amerika. Unter den Colt-Revolvern, Kisten mit Kautabak und anderen
Erscheinungsformen des amerikanischen Nationalcharakters befand sich
auch eine von der McCormick Company gestiftete Erntemaschine; ihr
Schornstein und der Kessel hätten von der Größe her
auch zu einem Schlachtschiff gepaßt, und die Preußen
versammelten sich in einer ehrfurchtsvollen Gruppe unter sechs
Fuß hohen Schnittmessern.
Nun trat ein Fremder, ein kleiner Mann mit einem runden,
spöttischen Gesicht, dicht an mich heran. »Ein
interessanter Kontrast, finden Sie nicht?«
»Wie bitte?«
»Hier, vor den Errungenschaften moderner
angelsächsischer Ingenieurskunst, stehen die alternden
Generäle der Alten Welt; und während ihre Armeen schon
gegen Frankreich mobil machen, spekulieren sie ohne jeden Zweifel
darüber, wie diese große amerikanische Pflugschar zu einem
mechanischen Schwert umgeschmiedet werden könnte.«
Ich lachte. »Nachdem ich diese Preußen kennengelernt
habe, muß ich Euch wohl rechtgeben, Sir.«
Ich schüttelte seine ausgestreckte Hand. »Mein Name ist
George Holden«, stellte er sich vor. Er musterte mich und
schaute mir mit einem offenen, klaren Blick in die Augen; ich
schätzte ihn auf etwa vierzig, wobei sein rosiges,
bäuerlich wirkendes Gesicht von einem schwarzen Haarschopf
gekrönt wurde. Eine Albert-Uhrkette spannte sich über
seinen Bauch.
Nun stellte ich mich vor.
»Ich freue mich, Eure Bekanntschaft zu machen«, sagte
Holden. »Ich betrachte es als Glücksfall, mich in solcher
Gesellschaft zu bewegen; ich bin nämlich nur ein Journalist des Manchester Guardian und soll über diese Festlichkeiten
berichten.«
Die Preußen waren mittlerweile zum kanadischen Stand
weitergegangen. Bismarck ergriff ein Schweizer Messer von der
Größe eines kleinen Buches, das, wie eine Tafel stolz
verkündete, mit nicht weniger als fünfhundert Klingen
ausgestattet war. Mit dem Ausdruck des Erstaunens im Gesicht klappte
der Eiserne Kanzler eine dieser phänomenalen Klingen nach der
anderen auf. »Seht Euch das an«, meinte Holden
säuerlich. »Wie Lausejungs, nicht wahr?«
Im Grunde fand ich Bismarcks jungenhafte Freude ganz sympathisch;
aber ich verschwieg das lieber.
Schließlich suchte die Gruppe den größten Stand
auf – den britischen. Als wir auf ihn zugingen, beschleunigte
sich mein Pulsschlag vor Aufregung; die Deutschen jedoch, die
zweifellos darauf aus waren, irgend etwas zu beweisen, marschierten
ziemlich schnell an den spektakulären Exponaten vorüber,
wobei sie ihre ergrauenden Kommißköpfe aufrecht hielten.
Es entging mir indessen nicht, daß mehr als nur ein
wässeriges Auge unwillkürlich zur Seite abschweifte; und
was mich betraf, so starrte ich diese Wunder intensiv an, im
Bestreben, auch das kleinste Detail zu erfassen.
Die Exponate wurden von großen, glänzenden Maschinen
dominiert, die mit ihren dräuenden Kolben und großen
Schornsteinen wie eingesperrte Tiere in dieser Kathedrale wirkten. Es
gab eine neue Schwebebahn-Lokomotive, deren Schornstein in den
tropfenförmigen Rumpf integriert war. Die Lokomotive sah so
leicht und grazil aus, daß man glaubte, sie könne fliegen,
und sie stand auf nur einer Schiene, die für die Schwebebahn
charakteristisch ist. Wie ich von Holden, meinem neuen Bekannten,
erfuhr, hatte die neuartige Tropfenform die Aufgabe, die Luft
leichter an der Hülle der Lokomotive vorbeistreichen zu lassen
und der Schwebebahn damit höhere Geschwindigkeiten zu verleihen.
»Aber«, so führte er aus, »im Grunde ist es die
enorme Konzentration der vom Anti-Eis gelieferten Wärmeenergie
– und dem daraus resultierenden hohen mechanischen Wirkungsgrad
–, welche die Konstruktion solch kompakter Wunderwerke
ermöglicht.«
Ein einzelner Wagen war an die Lokomotive angekoppelt (obwohl eine
Aufschrift uns belehrte, daß bis zu fünfzig Waggons von
diesem Modell gezogen werden konnten). Durch große
Panoramascheiben erspähte ich komfortable Sitzbänke mit
schweren Samtbezügen, und schimmerndes Messing sowie poliertes
Leder ließen diese Bänke so einladend erscheinen wie die
gediegenste Clublounge.
Ein anderes Gerät, das meine Aufmerksamkeit fand, war eine
innovativ geformte
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