Anti-Eis
diesen
Schmäh – aber dann berührte ein Adjutant Bismarcks
Arm. Der Kanzler hörte aufmerksam zu. Schließlich straffte
er seine Haltung, wobei sein Blick klar und hart war. »Sie
müssen mich entschuldigen.« Er klatschte ein-, zweimal in
die Hände, und die ordentliche Reihe der Preußen
löste sich auf. Der Photograph streifte mit allen Anzeichen der
Indignation die Kapuze ab.
Bald hatten die Preußen sich zu einer fast
militärischen Formation gegliedert und marschierten mit einer
intensiven Aura der Dringlichkeit auf den Ausgang zu. Mein momentaner
Vorgesetzter, ein gewisser Roderick McAllister, eilte ihnen nach; ich
faßte ihn am Arm. »McAllister, was geht hier
vor?«
»Ich fürchte, daß die Party vorbei ist, Vicars.
Die Preußen brechen ihren Besuch ab; ich muß gehen und
ihre Abreise arrangieren…«
»Aber was ist mit mir? Was soll ich jetzt machen?«
Er rief über die Schulter. »Ihr habt dienstfrei! Nehmt
Euch Urlaub…« Und dann war er auch schon verschwunden; die
Preußen hatten sich eine Gasse durch die überraschte Menge
der Würdenträger gebahnt; und der arme Roderick hechelte
wie ein Pudel hinter ihnen her.
»Resolute Leute, nicht wahr?«
Ich kratzte mich am Kopf. »Welch ein Vorgang, Mr. Holden.
Wißt ihr denn, was geschehen ist?«
Er schaute mich mit gelinder Überraschung an und strich sich
über seinen pomadigen schwarzen Schopf. »Sie erzählen
euch diplomatischen Fritzen wohl auch nicht alles, stimmt’s? Die
Neuigkeit ist auf der Ausstellung doch schon in aller
Munde.«
»Welche Neuigkeit?«
»Frankreich hat Preußen den Krieg
erklärt.«
»Oh, ich werde noch… Mit welcher
Begründung?«
Er fingerte an seiner Uhrkette herum. »Es sollte mich nicht
wundern, wenn dieses elende Telegramm der Grund dafür wäre.
Natürlich wurde der Zeitpunkt nicht zufällig gewählt.
Ich traue den verdammten Franzen durchaus zu, just zur Eröffnung
unserer Ausstellung einen Krieg anzuzetteln; sie werden alles
versuchen, um möglichst wenig Aufsehen zu erregen, nicht
wahr?« Er musterte mich. »Dennoch stehen die Dinge
schlecht, Mr. Vicars; es scheint, daß Ihr unerwartet Ferien
bekommen habt. Ich glaube, daß man noch einen Platz für
den Stapellauf der Prince Albert bekommen kann; ich werde
selbst dorthin fahren, und wenn Ihr interessiert seid…«
Zuerst schüttelte ich detachiert den Kopf. »Ich glaube,
ich sollte mich wieder bei meiner Dienststelle melden, Urlaub hin
oder her…«
Doch dann erinnerte ich mich an Françoise.
Ich schlug Holden auf den Rücken. »Eigentlich, Mr.
Holden, ist das eine ausgesprochen gute Idee. Darf ich Euch auf einen
Tee einladen, während wir das weitere Vorgehen
besprechen?«
Wir bahnten uns einen Weg durch die Ausstellungshalle, die von
Diskussionen über den Krieg widerhallte.
2
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Eine Kanalüberquerung
Der Stapellauf der Prince Albert sollte erst in drei Wochen
erfolgen, und Holden und ich beschlossen daher, die Reise nach
Ostende zu verschieben. Diese Zeit verbrachte ich untätig in und
außerhalb meiner Unterkunft in Bayswater. Während wir die
Cafes, Restaurants und Musikhallen unsicher machten, schien mir die
Gesellschaft meiner Freunde auf einmal seicht und unwürdig; mehr
als einmal saß ich in düsterer Stimmung bei Whisky und
Soda in der Ecke einer Clublounge und beobachtete meine Kumpels, wie
sie sich zu besoffenen Idioten machten – und ich überlegte,
was die elegante Françoise wohl von einem solchen Benehmen
halten würde.
Ich kehrte zur Ausstellung zurück, aber Françoise sah
ich nicht wieder. Ebensowenig fand ich trotz gründlichen Suchens
in den Gesellschaftskolumnen einen Hinweis auf sie.
Da war ich also schon nach unserer ersten kurzen Begegnung
verliebt wie ein dummer Schuljunge…
Aber ich war damals dreiundzwanzig Jahre alt und bezweifele,
daß ich mein jüngeres Ich jemals anders als mit leicht
verlegener Sympathie betrachten werde.
Schließlich, am ersten August, verstaute ich ein paar Sachen
in einer kleinen Reisetasche und brach zur Dover International
Station auf. Nebel waberte noch über den Docks, als ich mit
müden Augen aus dem Postzug von Waterloo Station stieg –
aber da wartete bereits George Holden, rund und strahlend wie ein
Honigkuchenpferd; er schüttelte mir die Hand und offerierte mir
einen Begrüßungsschluck Brandy aus einem silbernen
Flachmann. Zunächst lehnte ich ab; aber dann entfaltete die
brennende Flüssigkeit ihren feurigen Zauber. Unser Zug
glänzte auf der Hochbahn wie ein
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