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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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die
Fesseln um Bournes Handgelenke. Bourne half mir nicht dabei.
    »Ned! Was, in Gottes Namen, tut Ihr da?« rief der
bereits auf seinem Sitz festgegurtete Holden wütend. »Wollt
Ihr ausgerechnet in einem solchen Augenblick dieses Tier auf uns
loslassen?«
    Ich wandte mich zu ihm um und spürte, wie mein Gesicht sich
mit Zornesröte überzog. »Er ist kein Tier, George. Er
ist ein Mensch, unser aller Bruder. Wir werden heute vielleicht in
den Tod gehen. Was auch immer er verbrochen hat, Bourne verdient es,
seinem Schicksal mit Würde entgegenzutreten.«
    Holden wollte den Protest fortsetzen, aber da rief der fest auf
seinem Platz angegurtete Pocket: »Bitte vertagt Eure Debatte,
Sirs, denn ich fürchte, daß die Raketen gleich
gezündet werden, und der junge Gentleman wird sich verletzen,
wenn er nicht sofort an seinen Platz geht.«
    Ein Blick auf die Uhr, welche Traveller in die Great Eastern eingebaut hatte – das Schiff stand nach all unseren
Abenteuern noch immer stolz in der Vitrine im Mittelpunkt der Kabine
–, sagte mir, daß es bereits acht Minuten nach sieben war.
So beeilte ich mich, zu meinem Stuhl zurückzukommen und gurtete
mich an. Wir saßen lange Sekunden da; ich vermied den
Augenkontakt mit den anderen, weil ich befürchtete, daß
sich in ihren Augen nur meine Angst widerspiegeln
würde…
    Dann sprachen erneut die großen Motoren.
    Ich wurde tief in den Sitz gepreßt und stellte mir vor, wie
unser wertvolles Wasser als gefrierender Dampf in den Raum geblasen
wurde. Die Raketen feuerten vielleicht für zwei Minuten –
und dann, so plötzlich wie sie erwacht waren, verstummten sie
auch wieder. Eine bedrückende Stille senkte sich über die
Kabine, und wir starrten einander besorgt an.
    Auf der Brücke war alles still.
    »Holden, was ist geschehen?« zischte ich. »Glaubt
Ihr, daß es funktioniert hat? Nehmen wir Kurs auf den
Mond?«
    Holden biß sich auf die Lippe, und sein rundes Gesicht war
vor Angst gerötet und schweißnaß. »Die Raketen
haben jedenfalls wie vorgesehen gefeuert«, resümierte er.
»Aber was den Rest betrifft, sehe ich mich nicht zu einem Urteil
imstande. Wie schon so oft bei diesem schrecklichen Abenteuer
können wir nichts anderes tun als abwarten.«
    Die Minuten verstrichen ereignislos, und meine Angst wurde von
Langeweile und Gereiztheit verdrängt. »Ich sage Euch,
Holden, ich weiß, daß Traveller ein großer Mann ist
– und daß man bei solchen Burschen mit exzentrischen
Anwandlungen rechnen muß –, aber dennoch ist es nachgerade
unmenschlich, uns hier unten in einer solchen Spannung sitzen zu
lassen.«
    Holden wandte sich an den Diener. »Pocket? Meinst du, wir
sollten einmal nachsehen, ob Sir Josiah in Ordnung ist?«
    Pocket schüttelte den schmalen Kopf, und ich sah
Schweißperlen auf seinen Nackenhaaren. Der Kammerdiener, der
aufgrund der Umstände von seinen üblichen Verrichtungen
abgehalten wurde, wirkte von uns allen am nervösesten. »Sir
Josiah will bei seiner Arbeit nicht gestört werden,
Sir.«
    Ich ließ die Faust auf die Handfläche klatschen.
»Aber die Lage kann jetzt kaum als normal bezeichnet werden,
verdammt.«
    »Ich glaube, wir lassen Traveller am besten seine Arbeit tun,
Ned, und versuchen uns in Geduld zu üben.«
    »Vielleicht habt Ihr recht.« Ich schaute mich in der
Kabine um und versuchte, mich von meinen eigenen Gedanken abzulenken.
Dabei blieb mein Blick an der traurigen Gestalt von Bourne
hängen; der Franzose saß mit auf die Brust gesenktem Kopf
da, ein realer Gefangener in diesem Gefängnis. »Ich
muß nochmals betonen, Holden«, sagte ich, »es ist
verdammt herzlos von Euch, daß Ihr diesem armen Kerl noch immer
nicht die Fesseln abnehmen wollt. Welchen Schaden sollte er denn
jetzt noch anrichten können?«
    Holden sah Bourne haßerfüllt an. »Er ist ein
Anarchist, Ned; und daher kann man ihm nicht trauen.«
    Nun schaute Bourne trotzig auf. »Ich bin kein Anarchist. Ich
bin Franzose«, sagte er. Er sprach Englisch mit starkem
französischem Akzent.
    Ich studierte seine hageren, stolzen Gesichtszüge. »Ihr
habt mir erzählt, daß Ihr die Phaeton wegen der
Trikolore gekapert hättet. Wie ist das zu verstehen?«
    Er musterte mich mit einem herablassenden Blick. »Daß
Ihr überhaupt eine solche Frage stellt, Engländer, ist
schon Antwort genug.«
    Ich wurde ärgerlich, weil mein angesichts der Umstände
wirklich freundlicher Vorstoß so abgeschmettert wurde.
»Was, zum Teufel, soll das heißen? Schaut…«
    »Ihr werdet Euch mit dem

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