Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
Stein und den Kieselsteinchen im achtzehnten Kapitel. An einem bestimmten Punkt – wenn der größtmögliche Schadensfall eingetreten ist – wird das Konkave konvex. Der rechte Graph zeigt starke Antifragilität, mit unbekannter Obergrenze (führt nach Extremistan). Solche Erträge sind lediglich mit ökonomischen Variablen erreichbar, etwa bei Verkaufszahlen von Büchern oder in Bereichen, die grenzenlos oder nahezu grenzenlos sind. In der Natur gibt es meines Wissens nichts Vergleichbares.
Abbildung 29. Schwache Antifragilität (Mediokristan), eingeschränktes Maximum. Typisch für die Natur.
Freak-Nichtlinearitäten (sehr fachspezifisch)
Die folgenden beiden Nichtlinearitätstypen trifft man außerhalb von wirtschaftlichen Variablen praktisch nie an; sie kommen fast ausschließlich im Zusammenhang mit Derivaten vor.
Abbildung 30. Der linke Graph zeigt eine konvex-konkav steigende Funktion, das Gegenteil der eingeschränkten Dosis-Wirkungs-Kurven, die in der Natur anzutreffen sind. Das führt zu Typ 2, fragil (extrem ausgeprägte Fat Tails). Der rechte Graph zeigt die gefährlichste Variante überhaupt: Pseudokonvexität. Lokale Antifragilität, globale Fragilität.
Nichtlinearitäten und ihre Wahrscheinlichkeitskorrespondenz in der Medizin (Kapitel 21 und 22)
Abbildung 31. Medizinische Iatrogenik : Geringer Nutzen und große Schwarzer-Schwan-Nachteile, anhand von Wahrscheinlichkeiten . Iatrogenik liegt vor, wenn wir geringe identifizierbare Vorteile haben (beispielsweise die Vermeidung kleinerer Unpässlichkeiten oder einer unbedeutenden Infektion), andererseits aber Schwarzen Schwänen mit zeitlich verzögerten, unsichtbaren beträchtlichen Nebenwirkungen (beispielsweise Tod) ausgesetzt sind. Dieser konkave Nutzen der Medizin ist vergleichbar mit dem Verkauf einer finanziellen Option (hoch riskant) bei winzig kleinen unmittelbaren Gewinnen unter Verweis darauf, dass »erwiesenermaßen kein Schaden entstehen kann«. Kurzum: Für einen gesunden Menschen besteht eine kleine Wahrscheinlichkeit verhängnisvoller Auswirkungen (unterschätzt, da unsichtbar und nicht berücksichtigt) und eine hohe Wahrscheinlichkeit geringer Vorteile.
Abbildung 32. Nichtlinearitäten in der Biologie. Die Form konvex-konkav ergibt sich notwendigerweise aus allem, was wächst (und zwar monoton wächst, also nie fällt) und durch Höchst- und Mindestwerte begrenzt ist; es geht also an beiden Seiten nicht nach Unendlich. Auf niedrigem Niveau verhält sich die Wirkung auf die Dosis konvex (wird schrittweise immer effektiver). Höhere Dosen werden graduell ineffektiv und dann sogar schädlich. Derselbe Verlauf trifft auf alles zu, was mit zu großer Regelmäßigkeit konsumiert wird. Der Graph lässt sich jeder Situation zuordnen, die an beiden Enden begrenzt ist, mit einem bekannten Minimum und Maximum (Sättigung), wozu auch Glück gehört.
Geht man beispielsweise davon aus, dass es ein Maximalniveau für Glück und Unglück gibt, dann steht der Verlauf dieser Kurve mit Konvexität links und Konkavität rechts für den Grad an Glück (man ersetze »Dosis« durch »Reichtum« und »Wirkung« durch »Glück«). Kahneman-Tversky bieten in ihrer Prospect-Theorie ein Modell gleicher Form für den »Nutzen« von Vermögensveränderungen, das sie empirisch ermittelten.
Abbildung 33. Sie erinnern sich an das Bluthochdruck-Beispiel. Auf der vertikalen Achse sind die Vorteile einer Behandlung abgebildet, auf der horizontalen der Schweregrad der Erkrankung. Der Pfeil weist auf den Punkt, an dem der wahrscheinliche Nutzen dem wahrscheinlichen Schaden entspricht. Iatrogene Effekte gehen nichtlinear als Funktion des Schweregrads der Erkrankung zurück. Daraus folgt: Wenn der Patient sehr krank ist, verschiebt sich die Verteilung in Richtung antifragil (dickerer rechter Tail), mit großem Nutzen aus der Behandlung gegenüber möglichen iatrogenen Effekten – es gibt wenig zu verlieren.
Man beachte: Wenn die Behandlung intensiviert wird, wird beim Erreichen des Maximums an positiven Auswirkungen Konkavität eintreten, eine Zone, die im Graph nicht abgebildet ist – betrachtet man den Verlauf im größeren Zusammenhang, würde er dem vorigen Graphen entsprechen.
Abbildung 34. Der linke Graph zeigt Hormesis bei einem Organismus (siehe auch Abbildung 19): Wir sehen einen Bereich, in dem sich der Nutzen vergrößert (anfänglich konvex), dann abflaut und in einen Bereich der Schädigung übergeht, wenn die Dosis noch etwas weiter erhöht wird
Weitere Kostenlose Bücher