Antonias Wille
gegangen und hatte Kaffee und Kuchen bestellt. Am Nebentisch saà ein feiner Herr und rauchte Zigarre. Ludmilla bekam von dem Rauch einen fürchterlichen Hustenanfall. Der Herr bat eiligst um Verzeihung und lud sie auf ein Glas Champagner ein, und Ludmilla sagte nicht Nein.
Nun, den Rest konnte ich mir schon denken â¦
Ludmilla hatte sich zum ersten Mal in ihrem Leben unsterblich verliebt. Und dem Herrn â er ist im Diamantenhandel tätig â erging es genauso.
Ein Diamantenhändler! Bis zum heutigen Tag wusste ich noch nicht einmal, dass es so jemanden gibt.
Seit jenem Tag versuchen die beiden Liebenden sich zu sehen, wann und wo immer es geht. Und nun hat Ludmilla scheinbar Mittel und Wege gefunden, ihrem Gemahl vorzugaukeln, sie wolle eine Kur antreten. In Wirklichkeit will sie sich jedoch mit ihrem Geliebten treffen, und zwar an einem Ort, der vor den Augen der Ãffentlichkeit absolut geschützt ist. Wie sie ihre beiden Wachhunde loswerden will, weià Claudine allerdings noch nicht.
Daher weht also der Wind, dachte ich gleich. Der Moritzhof als geheimes Liebesnest â¦
Ich war mir anfangs nicht sicher, ob ich das unterstützen sollte. Gleichzeitig wusste ich schon in diesem Moment, dass ich nicht anders kann, dafür tut mir die Gräfin viel zu Leid. Na ja, sagen wir einmal, ein bisschen Neugierde spielt bei meiner Entscheidung auch eine Rolle. Zudem lockt mich die Abwechslung, die das Unternehmen in meinen trüben Alltag bringen wird.
Natürlich wollte ich wissen, woher Claudine diese Ludmilla kennt und warum sie sich so für sie einsetzt. Claudine gab mir bereitwillig Auskunft. Sie kennen sich schon seit Ewigkeiten, noch aus der Zeit, als Claudine mit Zoltan bei feinen Gesellschaften für musikalische Unterhaltung sorgte.
»Es war in Wildbad, bei einem Promenadenkonzert auf dem Kurplatz. Zwischen zwei Auftritten spazierte ich durch den nahe gelegenen Park, als ich auf einer Bank ein heulendes Häufchen Elend sitzen sah â Ludmilla. Ich konnte gar nicht anders, als sie anzusprechen. In ihrer Verzweiflung und Einsamkeit öffnete sie mir, einer Fremden, ihr Herz. Seitdem sind wir sehr vertraut miteinander.« Auf diese Erklärung folgte Claudines typisches Achselzucken, mit dem sie stets alles und nichts erklärte.
Ach, sollen die beiden Liebenden doch kommen! Das Haus ist schlieÃlich groà genug, sodass man sich nicht ständig gegenseitig auf die FüÃe tritt. Und ob ich jetzt für Bärbel und mich koche oder für ein paar Leute mehr â was macht das schon aus â¦
Rosanna war bereits in aller Herrgottsfrühe wach. Für den Fall, dass die Gäste gleich nach ihrer Ankunft ein warmes Bad wünschten, verzichtete sie darauf, den Warmwasserspeicher schon jetzt anzuwerfen und das heiÃe Wasser zu verbrauchen, und wusch sich stattdessen mit kaltem Wasser die Haare. Dann suchte sie im Schrank nach ihrer besten Schürze, musste dabei aber feststellen, dass diese an den Rändern schon ziemlich verschlissen war. Das ganze Haus hatte sie herausgeputzt, nur daran, sich selbst auch ein wenig schön zu machen, hatte sie nicht gedacht.
Nachdem sie mit Bärbel gefrühstückt und diese sich mit den Ziegen auf den Weg gemacht hatte, brach Rosanna zu einem weiteren Rundgang durchs Haus auf. Alles war für die Gäste vorbereitet. Dennoch rückte sie hier einen Strauà mit Trockenblumen zurecht und ordnete dort einen Stapel Bücher, den sie aus Karls Bücherschrank für die Gäste zusammengestellt hatte. Mit dem Zeigefinger fuhr sie prüfend über Tische und Kommoden, über den Spiegel in der Diele und über das Waschbecken im Badezimmer. Nirgendwo ein Hauch von Staub. Der Moritzhof mochte nicht so fein sein wie die edlen Herrenhäuser, die die Gräfin gewohnt war, aber blitzblank war er allemal! Und auÃerdem verfügte er schlieÃlich über zwei richtige Badezimmer. Irgendwann einmal war Martha Moritz es leid gewesen, für jedes Vollbad die schwere Zinkwanne ins Schlafzimmer und dann Eimer für Eimer Wasser hochzuschleppen. So hatte Karl zuerst unten die Besenkammer in ein Badezimmer umgewandelt, und weil er schon einmal dabei war, baute er im Obergeschoss gleich noch ein zweites dazu. Das war ein Luxus, an den sich Rosanna längst gewöhnt hatte, den sie dennoch immer wieder aufs Neue genoss.
An jedem Fenster, an dem sie vorbeikam, blieb sie stehen und warf
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