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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sah also der »Zeitvertreib« für Hotelgäste in Deutschland, der Schweiz und Italien aus!
    Der Gedanke, aus dem Moritzhof ein Hotel zu machen, hatte sich wie ein aufdringlicher Gast in Rosannas Kopf eingenistet und ließ sich nicht mehr vertreiben. Doch was konnte sie ihren Gästen hier oben auf dem Berg bieten?
    Vielleicht würden sich Claudine und Alexandre bereit erklären, hin und wieder für ihre Gäste zu musizieren. Na, ob das reichte?
    Die Gräfin hatte auch von Jagden gesprochen, die fürstliche Herrschaften ausrichteten. Und davon, dass sich die Gäste gegenseitig in ihren Hotels besuchten – tat man dies nicht, galt man als eigenbrötlerisch. Mit einem Fürsten konnte Rosanna nicht dienen, aber eine Jagd ließe sich vielleicht einrichten … Immerhin gehörten ihr achtzig Hektar Wald! Nach Karls Tod hatte Stanislaus Raatz einen Jagdpächter angeschleppt, der gegen eine jährliche Vergütung nun die Hege des Wildes übernahm. Vielleicht würde dieser Mann auch einmal eine Jagd für Gäste organisieren.
    Eine Jagd organisieren! Du meine Güte! Als Nächstes entwarf sie womöglich schon die Speisekarte für Gäste, von denen sie noch nicht einmal wusste, ob es sie je geben würde.
    Sie prustete verächtlich und spottete heimlich über sich selbst.
    Ludmilla schaute sie stirnrunzelnd an. »Stimmen Sie nicht mit mir überein, dass der besondere Reiz gerade im Wechsel zwischen dem hektischen Stadtleben und der besinnlichen Ruhe auf dem Land liegt?«
    Â»Doch, doch«, beeilte sich Rosanna zu sagen. »Aber ich frage mich die ganze Zeit …«
    Sie biss sich auf die Lippe. Wie um alles in der Welt sollte sie ihre Frage formulieren, ohne dass sie sich verriet?
    Â»Ich frage mich«, hob sie erneut an, »wie die feinen Herrschaften von all diesen schönen Orten und Hotels, die Sie mir geschildert haben, überhaupt erfahren? Ich meine, es kommen doch jährlich neue Hotels dazu …«
    Â»Ein wichtiger Gedanke«, lobte Ludmilla, die zusehends größeren Gefallen an ihrer Rolle als Rosannas Beraterin fand. »Ohne den allerneuesten Reiseführer wäre man in der Tat hilflos. Ich persönlich bevorzuge die Baedeker-Reisehandbücher – sie sind stets auf dem neuesten Stand und was Beschreibungen von Unterkünften angeht sehr präzise.«
    Ein Blick in Rosannas verunsicherte Miene reichte, um sie ihre Bemerkung weiter ausführen zu lassen. Es handele sich hierbei um kleine, handliche Bücher, nicht viel größer als ein Kirchengesangbuch, die der Baedeker-Verlag herausgab. Der Reisende fände darin nicht nur Karten und Wegbeschreibungen, sondern auch Adressen für Unterkünfte und jede Menge Werbeanzeigen von Geschäften noch dazu, die in der jeweiligen Gegend ansässig wären. Ludmilla versprach, ihren Baedeker über den Schwarzwald später aus ihrem Zimmer zu holen.
    Â»Aber Sie sollten nicht nur einen Eintrag im Baedeker planen, sondern auch Prospekte und Postkarten«, fuhr sie fort. »Ja, Postkarten! Je länger ich darüber nachdenke … Bei dieser Fülle an Motiven hier oben wird das einzige Problem darin bestehen, das schönste auszusuchen. Aber im Grunde kann es nur eines geben: Ihr Hotel selbst! Diese pittoreske Behäbigkeit, dieses Bodenständige und gleichsam fast mystisch Schöne, das Ihr Haus umgibt … Allerdings müssten Sie zuvor wieder Ihr Hotelschildanbringen lassen. Wenn ich das so sagen darf – das Fehlen des Schildes mutete nämlich schon bei unserer Ankunft etwas seltsam an. Aber ich nehme an, Sie lassen Ihr Aushängeschild zurzeit renovieren?«
    Rosanna nickte vage.
    Ein Hotelschild …
    Prospekte …
    Der Moritzhof auf einer Postkarte …
    Ein wohliges Kribbeln, das sie seit vielen Monaten nicht mehr verspürt hatte, breitete sich in Rosannas Bauch aus.
    Sie würde aus dem Hof ein Hotel machen. Gäste bewirten und damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Was für ein Gedanke! Warum war sie nicht schon längst darauf gekommen? Wo diese Idee doch eigentlich so nahe lag?
    Es ist wie damals, als ich schwanger war und Karl mir vorschlug, zu ihm zu ziehen und seine Magd zu werden, schoss es Rosanna durch den Kopf. Ein Gedanke, der scheinbar aus dem Nichts auftaucht – und plötzlich sieht die Welt völlig anders aus.
    Sie hatte Mühe, still sitzen zu bleiben.

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