Antonio im Wunderland
überall
auf der Welt entweder platzen oder schmelzen.
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Die Urlaube bei der Familie haben hingegen auch ihr
Gutes, denn man spart eine ganze Menge Geld. Nicht
dass ich geizig wäre, das nun wirklich nicht. Aber es
steht nun einmal fest, dass Ferien ganz schön teuer sind.
Und für mich und meine Frau sind sie es eben nicht, weil
wir in eine der wärmsten Gegenden von Europa fahren,
ohne für die Unterkunft bezahlen zu müssen.
Trotz dieses unleugbaren Vorteils sind wir in den
letzten Jahren bockig geworden, besonders gilt dies für
Sara. Seit ihrer frühesten Kindheit fährt sie nach Italien zur Familie. Sie spielte mit den Nachbarskindern und
mit ihren vielen Cousins und Cousinen, die nun auch
erwachsen und verheiratet sind. Sie sind alle noch da,
bis auf einen schwulen Vetter, der jetzt in Mailand lebt.
Manche von ihnen haben sich auf recht drastische Wei-
se nicht unbedingt zu ihrem Vorteil verändert, und zu
vielen hat sie einfach keinen Draht mehr. Kinder haben
es da viel einfacher. Denen ist es egal, wie einer aus-
sieht oder was er beruflich macht und ob er in die Kir-
che geht oder nicht. Aber das ist eigentlich nicht unser
Problem. Das eigentliche Problem spaltet sich auf in
zwei gewaltige Unterprobleme, die mit den Jahren im-
mer größer wurden.
Nummer eins ist der Stress, der durch einen furcht-
baren und ständig vor sich hin schwelenden Familien-
krieg ausgelöst wird. Die ganze Sippe ist in dieser Sache
ein einziges Glutnest. Dieser Zank hat die Familie in
zwei Lager geteilt, die wir aber fairerweise beide besu-
chen müssen. Die verfeindeten Äste des Stammbaums
heißen Carducci und Marcipane, zwischen ihnen gibt es
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Ehen und zahlreiche unheimlich heimliche Verzahnun-
gen, über die nie gesprochen wird, welche aber die
Bande so eng knüpfen, dass immer von Verwandtschaft
und nie von Verschwägerung die Rede ist. Insgesamt
gibt es bald zweihundert Marcipanes und knapp ebenso
viele Carduccis. Insgesamt stellen beide Familien fast
ein Prozent der Bevölkerung von Campobasso.
Man muss unbedingt vermeiden, der einen Truppe
zu erzählen, dass man auch die andere trifft.
Die Familien tragen ihre Feindschaft mit einer Lei-
denschaft und Konsequenz aus, die überall sonst auf
der Welt nicht vorstellbar wäre. So spielen die Carducci-
Jungs grundsätzlich nicht im selben Fußballverein wie
die Marcipanes, und wenn sie sich im Rahmen eines Li-
gaspiels begegnen könnten, werden sie von ihren Trai-
nern gar nicht erst aufgestellt. Im Kino und in der Kir-
che besetzen die Carduccis immer Plätze auf der linken
Seite, die Marcipanes hingegen sitzen rechts. Auf diese
Weise wird verhindert, dass man aufstehen muss, um
einander vorbeizulassen. Man hat die Bäcker, die Metz-
ger, die Friseure und Banken aufgeteilt in jene, wo Car-
duccis hingehen, und solche, die von Marcipanes be-
sucht werden. Sogar die Straßen im neuen Teil der Stadt
und die kleinen Gassen rund um die Porta Mancina 1
1 Porta Mancina ist das alte Stadttor von Campobasso. Dort beginnt die Altstadt mit ihren zahllosen verwinkelten Gassen und Treppen. Wenn man beharrlich bis ganz nach oben läuft, landet man beim Castello Monforte, einer Burg, von der man einen sehr schö-
nen Blick hat. Macht man aber nur einmal. Einen Einheimischen habe ich da oben nicht getroffen, denen ist das zu langweilig.
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sind nach undurchschaubaren und unausgesprochenen
Regeln reserviert.
Die Kinder werden in diese Fehde hineingeboren,
und bei der Einschulung achtet man peinlich darauf,
die Nachkommenschaft nach Familien getrennt auf
die Klassen zu verteilen. So entstehen natürlich Car-
ducci- und Marcipane-Klassen, denn die Mitschüler
ergreifen immer für die Familie Partei, dessen Kind
mit ihnen in einer Klasse sitzt. Es ist wirklich eine
große Sache, und man sollte sich besser nicht dazwi-
schenstellen.
Als ich einmal auf die Frage von Onkel Raffaele – ei-
nem fanatischen Marcipane –, was wir denn den gan-
zen Tag gemacht hätten, antwortete, dass wir mit Cou-
sine Ricarda Carducci ein Eis essen waren, standen wir
kurz vorm Rausschmiss. Nonna Anna schüttelte eine
halbe Stunde den Kopf und sprach kein Wort mehr mit
uns. Es gelang uns nur mit größter Mühe, nicht aus ih-
rem Adressbuch gestrichen zu werden. Das kann man
alles albern finden, aber dann muss man eben zu Hau-
se bleiben.
Das zweite Problem, das es uns immer schwerer
macht, emotional unbelastet in die Ferien nach
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