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Antonio im Wunderland

Antonio im Wunderland

Titel: Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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Krefelde.»
    «Was heißt denn hier bloß?», sage ich tröstend.
    «Das ist doch was, oder? Und wenn du nach Amerika
    gegangen wärst, wen hättest du dann nie kennen ge-
    lernt?»
    Er zuckt mit den Schultern.
    «Benno und mich», rufe ich.
    Da gibt er mir einen Kuss, der nicht auf meiner Wan-
    ge landet, aber immerhin am Hals.
    Weiter oben die Dinosaurierskelette, riesige Dinger,
    beeindruckende, gewaltige Knochen und Zähne. Ich
    könnte mir so etwas stundenlang ansehen, aber Benno
    drängt zum Aufbruch. Er habe noch etwas vor, sagt er.
    Ich frage mich zwar, was das sein kann, aber wenn er
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    weg will, will er weg. Als wir vor der Tür stehen, weiß
    ich, warum er gehen wollte. Er holt aus der Tasche ei-
    nen großen metallenen Stift, eine Art bronzenen Na-
    gel, und zeigt ihn uns.
    «Was ist das?», frage ich.
    «Dat issene Zahn.»
    «Du hast einen Zahn mitgehen lassen?» Ich bin em-
    pört und sehe mich hektisch um. «Du kannst doch
    nicht einfach einen Dinosaurierzahn stehlen. Bist du
    eigentlich wahnsinnig?»
    Amerikaner verstehen bei der Schändung von prähis-
    torischen Exponaten überhaupt keinen Spaß. Benno
    hält den Zahn in die Sonne und begutachtet den Beißer
    fachmännisch.
    «Pack das Ding ein», herrsche ich ihn an, «oder willst
    du gleich in den Knast?»
    Er steckt den Zahn widerwillig ein. Ich überlege.
    Wenn man uns mit einem amerikanischen Saurierzahn
    aus einem amerikanischen Museum bei der Ausreise
    erwischt – und bei meinem bisherigen Glück mit die-
    sen beiden Diplodoken wird dies garantiert der Fall
    sein –, sind wir geliefert.
    «Wie kommst du überhaupt dazu, dem Viech einen
    Zahn zu ziehen. Und was war das für einer?»
    «Stegosaurus, glaubisch. Äwwer isch han der Zahn
    nit jezogen. Da wor schief. Isch wollt der Zahn richtig-
    rum drücken, da isser erusjefallen.»
    «Wir müssen ihn wieder ins Gebiss setzen, bevor es
    jemand merkt.»
    «Dat jeht nit», jammert Benno.
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    «Und ob das geht», sage ich drohend.
    «Nä, isag, wir hauene ab», sagt Antonio, dem die
    Diskussion schon viel zu lange dauert. «I habe Hunger.»
    «Wir gehen zurück», entscheide ich. Leicht angesäu-
    ert folgen Tiggelkamp und Marcipane, und ich löse er-
    neut drei Karten zu je zehn Dollar. Dann spazieren wir
    in den Saal, wo der Saurier mit dem Zahnproblem
    steht. Vor ihm hat sich eine größere Menschenmenge
    eingefunden, auch Wärter sind dabei und ein verstei-
    nerter Paläontologe. Wir kommen näher, und ich er-
    kenne das ganze Ausmaß von Bennos Tat. Genau ge-
    nommen hat der Stegosauros nicht einen, sondern alle
    Zähne verloren. Der Kiefer ist leer, die Zähne liegen auf
    dem Boden herum. Außer einem.
    «Isch hab doch jesacht, der Zahn können wir nit
    mehr reintun. Isch weiß ja nit, wo der jenau jewesen
    is», raunt Benno. Dann schlägt er vor, den Zahn bei ei-
    nem der Kinder in den Rucksack zu stecken. Ich warne
    ihn und flüstere zum Rückzug.
    Ich bin schon sauer, das muss ich sagen. Also rede
    ich erst mal nicht mehr mit meinen Kameraden. Schnel-
    len Schrittes haste ich durch den Central Park zurück,
    Richtung Downtown, Richtung Mittagessen, Richtung
    Schnauze voll. Auch Antonio und Benno sagen nichts.
    Es dauert eineinhalb Stunden, bis sie ihre Sprache
    wieder gefunden haben. In dieser Zeit sind wir schwei-
    gend gewandert, mal mit, mal gegen den Strom der
    Menschen, die wissen, wo sie hinwollen. Es ist Benno,
    der an einer roten Ampel das Wort ergreift: «Isch müss-
    te ma’ aufs Klo.» Das sollte möglich sein. Wir stehen
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    vor der Central Station, dem Hauptbahnhof, und ich
    bin ganz sicher, dass die da drin irgendwo eine Toilette
    haben. Ich habe mich auch wieder beruhigt. Wir gehen
    also hinein, und Antonio macht «Ohhh» und «Ahhh»,
    wie in einer Kirche, und so wirkt die Halle auch. An der
    Decke sind zwar keine Heiligen zu sehen, aber Tausen-
    de Sterne. «Das soll der Winterhimmel sein», doziere
    ich, in meinen Reiseführer blickend. «Die Fenster sind
    bis zu 25 Meter hoch.» Antonio ist über die Maßen be-
    rührt. Diese einschüchternde Größe geht so weit über
    seine Vorstellungskraft hinaus, es ist so viel mehr, als
    er erwartet hätte, so viel mehr als das, wovon er sein
    Leben lang geträumt hat. Ich muss aufpassen, dass sein
    Herz diese Reise übersteht. Und ich muss schnell eine
    Toilette für Benno finden. Ich frage einen Uniformier-
    ten, der uns den Weg weist, und Benno verschwindet.
    Während wir warten, lege ich meinen Arm um Anto-
    nios

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