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Antonio im Wunderland

Antonio im Wunderland

Titel: Antonio im Wunderland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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wenn
    wir den Namen Mauro Conti, womöglich mit dem Zusatz
    «Architect», in eine Suchmaschine eingeben und uns von
    ihr direkt in sein Büro führen lassen? Was ist dagegen
    einzuwenden? Ich schlage vor, in ein Internet-Café zu
    gehen und die Sache schnellstens hinter uns zu bringen.
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    Aber Antonio ist dagegen. Kategorisch.
    «Wir finde der Mann auch so, glaube mir.»
    Da entscheide ich, mein Engagement zu beenden.
    Wenn er in einer Stadt mit acht Komma eins Millionen
    Einwohnern einen davon finden will, ohne sich auch
    nur im Geringsten darum zu bemühen, dann soll er das
    machen. Mein Schwiegervater ist ja schließlich er-
    wachsen.
    Expeditionsleiter Marcipane klatscht in die Hände,
    wir gehen auf die Drehtür des Hotels zu, treten hinein,
    und dann sind wir da: Auf der Straße. Auf der 42sten
    Straße genauer gesagt. Ich gehe einen Schritt nach vor-
    ne, atme einmal tief ein, dieses New Yorker Großstadt-
    luftgemisch. Dann drehe ich mich um. Benno fehlt. Wo
    ist Benno? Antonio macht eine etwas obszöne Geste, sie
    bedeutet: Benno ist auf der Toilette. Na ja, gut, warten
    wir. Nach zehn Minuten kommt er nach, und Antonio
    entscheidet: rechts rum, also Richtung Times Square.
    Der Times Square verbraucht für sein unglaubliches
    Gefunzel und Gefunkel pro Stunde ungefähr so viel
    Strom wie alle Einwohner von Kassel in einem Jahr.
    Man kann leicht erkennen, wer ein New Yorker ist und
    wer nicht. Jeder der sich umsieht, der auf die Lichter
    und Videoschirme und aufleuchtenden Textnachrich-
    ten an den Häuserfassaden starrt, ist bestimmt keiner.
    Die Einwohner von New York reagieren darauf offenbar
    nicht mehr. Es nimmt sie nicht gefangen. Also haben
    die Häuser nicht bloß Millionen von Glühbirnen, Dio-
    den und blinkende Pixel, sondern auch Lautsprecher.
    Die Straße scheint wie eine Membran zu vibrieren.
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    Kaum zu glauben, dass dieser Orkan von Musik und
    Stimmen von Menschen für Menschen gemacht wurde.
    Aber die hören das anscheinend gar nicht. Die New
    Yorker haben Hornhaut in den Ohren, oder kleine wei-
    ße I-Pod-Stöpsel. So machen sie sich mit ihrem Privat-
    lärm vom Straßenlärm unabhängig. Was wohl passier-
    te, wenn plötzlich alles verstummte und gleichzeitig
    alle Lichter ausgingen? Ich stelle mir den Effekt vor wie
    in einer Discothek am frühen Morgen, in einem guten
    Club, wo irgendwann die Musik ausgeht und die Lich-
    ter verlöschen. Die Putzfrau knipst ein taghelles De-
    ckenlicht an, und plötzlich sieht der Raum ganz anders
    aus, völlig entfremdet und in Wirklichkeit ganz nor-
    mal. So muss es beim Times Square gewesen sein, als
    vor ein paar Jahren abends der Strom ausfiel. Die Men-
    schen haben sich ausgerechnet hier getroffen und
    Kerzlein angezündet, am normalerweise grellsten Ort
    der Welt. Als das Licht wieder anging und die Rechner
    wieder hochgefahren waren, um mit dem Bedröh-
    nungsprogramm fortzufahren, hörten die New Yorker
    sofort wieder auf, diesen Ort wahrzunehmen. Sie setz-
    ten ihre Sonnenbrillen auf, und die Hornhaut ver-
    schloss reflexartig ihre Ohrmuscheln.
    Benno und Antonio gehen dicht hinter mir. Dieser
    Platz bietet ihnen entschieden mehr Information über
    Urbanität und das Tempo der Moderne, als sie benöti-
    gen, um sich davor zu fürchten. Mir geht es ehrlich
    gesagt genauso. Und natürlich wird mir klar, dass An-
    tonio diese Stadt unterschätzt hat, das sehe ich in sei-
    nen Augen. Er hat sich mit etwas bei weitem zu Großen
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    angelegt. Dass diese Stadt auch ruhige, fast einsame
    Ecken hat, werde ich ihm jetzt nicht auf die Nase bin-
    den, er soll ruhig ein Weilchen glauben, ganz Amerika
    sei wie hier.
    Dann laufen wir weiter, immer die Straße entlang.
    Ich habe kein Ziel, und mir scheint, dass Antonio das
    seine stetig aus den Augen verliert. Man muss gegen
    New York kämpfen, man muss es sich erlaufen, um es
    zu bezwingen. Block für Block. Aber die Stadt wehrt
    sich gegen Wanderer. Sie flutet die Straßen mit Autos
    und Ortskundigen, gegen die man läuft wie gegen gro-
    ße Steine in einer Brandung. Die Stadt ist Gewalt, nicht
    die Menschen, die in ihr leben. Und diese Häuser, diese
    Architektur der Macht wirkt, als hätten riesenhafte
    Hunde Pissmarken gesetzt. Benno und Antonio, der
    italienische und der deutsche Kleinstädter, taumeln
    zwischen den Wolkenkratzern herum. Niemand be-
    merkt sie und ihr Staunen. Wer hier staunt, hat die
    Stadt noch nicht erobert. Erst wenn einer geschäftig
    und mit einem klaren Ziel unter Ausnutzung

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