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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Wissen, sondern beinahe schon gegen seinen eigenen Willen – noch einmal hinzu: »Was hoffst du dort unten zu finden, Graves?«
    Sein Gegenüber schüttelte nur den Kopf. Statt direkt zu antworten, griff er unter seine Jacke, kramte eine Zigarette und ein Streichholzbriefchen hervor und benutzte beides, um sein Gesicht wieder hinter einer grauen Wolke aus sich träge in der Luft ausbreitenden Schwaden zu verstecken. »Ich halte dir deinen momentanen Zustand zugute«, sagte er, »und werfe mir vor, dich wohl überfordert zu haben. Dort unten ist nichts, Mogens – nichts, was wir beide nicht schon gesehen hätten. Aber ist das etwa nicht genug?« Er nutzte einen weiteren Zug aus seiner Zigarette, um eine in ihrer Wirkung vermutlich genau berechnete Kunstpause einzulegen, und verzog die Lippen zu einem ganz leicht abfälligen Lächeln. »Was glaubst du denn, wonach ich suche?«, fragte er spöttisch. »Nach dem Stein der Weisen vielleicht oder dem Heiligen Gral?«
    Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte eine bisher verschüttet gewesene Erinnerung in Mogens’ Kopf auf. Toms Scheinwerferstrahl hatte das Tor erfasst, aber die beiden gewaltigen, mit unheimlichen Bildern verzierten schwarzen Flügel hatten weit offen gestanden, und dahinter … Das Bild entglitt ihm, aber er hatte das unheimliche Gefühl, dass es das erst tat, nachdem er gesehen hatte, was hinter dem offen stehenden Tor zum Vorschein kam. Ein Teil von ihm, der eindeutig stärker war als sein bewusster Wille, wollte nicht, dass er es erkannte.
    Er wechselte das Thema. »Was unternehmen wir jetzt wegen Miss Preussler?«, fragte er.
    Graves paffte ungerührt weiter an seiner Zigarette, und die Schwaden vor seinem Gesicht waren jetzt so dicht, dass Mogens den Ausdruck darauf mehr erahnte, als er ihn wirklich sah. »Was willst du denn unternehmen, mein Freund?«, fuhr er spöttisch fort. »Möchtest du ein Gebet für sie sprechen? Nur zu.«
    Es fiel Mogens nicht leicht, sich zu beherrschen, aber irgendwie brachte er das Kunststück doch fertig. Mit einer Ruhe, die ihn fast selbst überraschte, antwortete er: »Wir können die Sache nicht einfach so auf sich beruhen lassen. Immerhin ist ein Mensch ums Leben gekommen.«
    »Will heißen?«, erkundigte sich Graves ungerührt.
    »Wir müssen irgendwie darauf reagieren«, antwortete Mogens. »Hast du Sheriff Wilson schon verständigt?«
    Der Ausdruck von Verblüffung auf Graves’ Gesicht wirkte vollkommen echt. »Sheriff Wilson?«, wiederholte er verständnislos.
    »Selbstverständlich«, sagte Mogens. »Die arme Frau ist tot, Graves! In einem solchen Fall verständigt man im Allgemeinen die Behörden, oder etwa nicht?«
    »Das mag sein«, antwortete Graves. Seine Augen wurden schmal. »Und ich werde es selbstverständlich nachholen – morgen.«
    »Morgen?«, wiederholte Mogens. »Was soll das heißen, morgen?«
    »Sobald alles vorüber ist«, antwortete Graves. »Sobald wir …«
    »Aber wir können nicht so lange warten!«, unterbrach ihn Mogens. »Wir hätten den Sheriff längst benachrichtigen müssen! Ich bin davon ausgegangen, dass Tom das noch in der vergangenen Nacht erledigt hat!«
    Graves maß ihn etliche Sekunden lang mit einem Blick, den man nur noch als verächtlich bezeichnen konnte. »Allmählich beginne ich mir doch Sorgen um deine geistige Gesundheit zu machen, alter Junge«, sagte er dann. »Weißt du überhaupt, was du da redest?«
    »Miss Preussler ist tot!«, antwortete Mogens. Er war vollkommen fassungslos.
    Graves nickte, sagte aber trotzdem: »Das wissen wir noch gar nicht. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass sie verschwunden ist. Ich will gerne einräumen, dass die Wahrscheinlichkeit, sie noch einmal lebend oder gar unversehrt wiederzusehen, nicht besonders hoch ist. Vielleicht sollten wir der bedauernswerten Miss Preussler sogar wünschen , nicht mehr am Leben zu sein. Dennoch bleibt es bisher nur eine reine Vermutung. Eine bloße Annahme, auf die hin allein ich unmöglich den Erfolg jahrelanger Arbeit aufs Spiel setzen kann!« Mogens wollte protestieren, aber Graves machte eine wütende Kopfbewegung und stieß eine graue Rauchwolke in seine Richtung; ein verärgerter Drache, der ein drohendes Knurren von sich gab. »Hast du auch nur eine Vorstellung davon, was passieren würde, wenn wir jetzt zu Wilson gehen? In spätestens einer Stunde würde es hier von Polizisten nur so wimmeln und längstens eine Stunde später von Reportern, Schaulustigen und Gaffern! Von unseren

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