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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Bewegung dann vorsichtshalber doch nicht zu Ende, als er ihrem Zorn sprühenden Blick begegnete. Einen Herzschlag lang wirkte er noch verunsicherter als zuvor, dann deutete er ein Schulterzucken an, zwang erneut ein Lächeln auf sein Gesicht und machte eine Handbewegung in den Himmel hinauf. »Es liegt mir fern, Gottes Schöpfung irgendwie anzuzweifeln oder auch nur kleiner zu machen. Sehen Sie all diese Sterne dort oben?«
    Miss Preussler nickte abgehackt.
    »Was glauben Sie, wie viele es sind?«, fuhr Graves fort.
    »Viele«, antwortete sie. »Tausende.«
    Graves schüttelte den Kopf.
    »Es sind viel mehr«, sagte er. »Millionen, Miss Preussler, viele, viele Millionen, allein in unserer Milchstraße – Sie wissen, was eine Milchstraße ist?«
    Mit der letzten Frage, mutmaßte Mogens, hatte er sich auch noch den allerletzten Rest von Sympathien bei Miss Preussler verspielt – falls er denn noch welche gehabt hatte. Statt sich einzumischen, wie er es eigentlich vorgehabt hatte, beschloss er spontan, einfach ruhig zu sein und zuzusehen, wie sich Graves um Kopf und Kragen redete.
    »Es gibt allein in unserer Milchstraße mehrere Millionen Sterne, und viele von diesen Sternen dort oben«, er spießte mit dem glühenden Ende seiner Zigarette in den Himmel, als wollte er ein weiteres großes Loch hineinbrennen, »kommen uns nur vor wie Sterne, weil sie so unendlich weit entfernt sind, aber sie sind in Wahrheit ihrerseits wiederum ganze Milchstraßen.«
    »Höchst interessant«, sagte Miss Preussler kühl. »Und was genau wollen Sie mir damit sagen, Doktor?«
    »Dass das Universum unendlich ist, meine liebe Miss Preussler«, antwortete Graves. »Jedes einzelne dieser winzigen Lichter dort oben ist in Wahrheit eine Sonne, ebenso gewaltig und Leben spendend wie die unsere. Und ihre Anzahl übersteigt unser aller Vorstellungskraft.«
    »Und?«, fragte Miss Preussler. Sie klang ein wenig gereizt, und Mogens ertappte sich dabei, wie er ganz instinktiv einen halben Schritt zurückwich. Ein gewisser Sicherheitsabstand war möglicherweise nicht das Schlechteste, wenn Titanen aufeinander prallten.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Wunder des Lebens unter all diesen unzähligen Sonnen nur ein einziges Mal entstanden sein soll.«
    »Und Gott der HERR schuf den Menschen nach seinem Vorbild«, antwortete Miss Preussler. »Sie haben es selbst gesagt, Doktor Graves: Es ist ein Wunder. Nicht mehr und nicht weniger.«
    »Aber steht denn irgendwo in der Bibel, dass er nur den Menschen erschaffen hat?«, fragte Graves liebenswürdig.
    Miss Preussler sog hörbar die Luft ein. »Doktor Graves«, sagte sie scharf. »Ich dulde eine solche Gotteslästerung nicht in meiner Nähe.«
    »Aber Miss Preussler, ich …«
    »Genug«, unterbrach ihn Miss Preussler in noch schärferem Ton. »Das ist Ketzerei, Doktor Graves. Glauben Sie mir, wenn dieser Junge nicht bei uns wäre, dann würde ich Ihnen jetzt die Antwort geben, die Ihnen gebührt. Und jetzt würde ich Sie darum bitten, das Thema zu wechseln. Wie viel Zeit bleibt uns noch?«
    »Uns?« Graves blinzelte. »Was meinen Sie mit ›uns‹, Miss Preussler?«
    »Aber Sie haben doch noch immer vor, dort hinunterzugehen und diese armen Menschen zu befreien, nehme ich an.«
    »Selbstredend«, antwortete Graves, »aber Sie haben doch nicht etwa vor …«
    »… Sie zu begleiten?«, unterbrach ihn Miss Preussler. »Aber natürlich werde ich mit Ihnen gehen.«
    »Ich fürchte, das kann ich nicht zulassen«, sagte Graves ruhig.
    »Und ich fürchte, Sie können mich nicht daran hindern«, antwortete Miss Preussler.
    Mogens erlebte ein kleines Wunder: Graves’ Gesicht verfinsterte sich erwartungsgemäß, und in seinen Augen glomm ganz genau jener Ausdruck auf, der schon vor einem Jahrzehnt seine Kommilitonen an der Universität stets dazu bewogen hatte, einen möglichst großen Bogen um ihn zu schlagen, und er konnte sehen, wie sich seine Kiefermuskeln so verspannten, dass er allen Ernstes damit rechnete, im nächsten Moment das abgebissene Ende seiner Zigarette zu Boden fallen zu sehen. Statt der erwarteten Explosion jedoch blieb Graves zwei oder drei Sekunden lang vollkommen still, dann sagte er ganz ruhig: »Miss Preussler, ich fürchte, Sie haben nicht ganz verstanden, worum es hier geht. Es könnte dort unten … ziemlich gefährlich werden. Um ehrlich zu sein – ich rechne sogar ernsthaft damit, dass wir in einen Kampf mit diesen Kreaturen verstrickt werden.«
    »Und da wollen Sie

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