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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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zuschnürte. Überall rings um sie herum wuselte und glitt es, und auch wenn die Geschöpfe vermutlich nicht in der Lage waren, irgendeine Lebensäußerung von sich zu geben, so produzierten sie in ihrer Masse und Bewegung sehr wohl Geräusche: ein schleimiges, gluckerndes Fließen und Klatschen, ein Geräusch wie Schritte in klebrigem Morast, aber ungleich ekelerregender, fremdartiger, und als wäre das allein noch nicht genug, war er nun fast sicher, ein Muster in der allgegenwärtigen Bewegung zu erkennen. Die einzelnen Tiere bewegten sich scheinbar vollkommen willkürlich, und dennoch hatte Mogens plötzlich den sicheren Eindruck, dass Miss Preussler, Tom, Graves und er sich genau im Zentrum eines sich langsam drehenden und zugleich um sie schließenden Kreises befanden, eines sich unendlich langsam bewegenden Malstroms, der sich unerbittlich um sie schloss und sie unweigerlich in die Tiefe reißen musste, wenn sie hier blieben.
    »Keine Angst, Miss Preussler«, sagte Graves. »Das … das sind nur ein paar Schnecken oder Würmer. Ekelhaft, aber nicht gefährlich. Das Beben muss sie aus der Erde getrieben haben.« Aber auch seine Stimme zitterte, und er hatte Mühe, sie unter Kontrolle zu behalten.
    Tom hob seine Lampe ein wenig höher, sodass der zitternde Lichtkreis, den sie schuf, zwar blasser, zugleich aber deutlich größer wurde. Aber auch hinter der Grenze aus Dunkelheit, die sie bisher umgeben hatte, war nichts als der aufgewühlte, schlammige Morast des Platzes zu sehen. Überall zitterte und wogte es, und Mogens wusste mit einer intuitiven Gewissheit, dass sich das Bild auch dahinter noch fortsetzen würde. Das schleimige Geräusch wurde lauter, und plötzlich glaubte er darin fast so etwas wie ein Flüstern zu vernehmen. Zumindest aber ein Muster, ebenso versteckt und fast unsichtbar wie die Bewegung der grässlichen Geschöpfe und trotzdem ebenso deutlich.
    »Vielleicht sollten wir trotzdem besser ins Haus gehen«, schlug Tom vor.
    Keiner von ihnen widersprach. Selbst Graves wandte sich mit einer hastigen Bewegung um und ging los, und Mogens folgte ihm ebenso schnell. Nach zwei Schritten blieb er wieder stehen und drehte sich zu Miss Preussler um, doch Tom war ihnen auch diesmal zuvorgekommen: Er war neben sie getreten, hielt mit der linken Hand die Laterne hoch über seinen Kopf und hatte mit der anderen Miss Preusslers Arm ergriffen und führte sie. Für den Bruchteil eines Augenblicks empfand Mogens einen tiefen Stich einer vollkommen widersinnigen Eifersucht, für die er sich fast augenblicklich schämte. Er hatte weder einen Grund noch ein Recht dazu: Tom war der Einzige, der sich in diesem Augenblick auch nur annähernd wie ein Mann verhalten hatte, obwohl er es noch nicht einmal ganz war.
    Er konzentrierte sich darauf, Graves so rasch zu folgen, wie es nur ging – was sich als gar nicht so einfach erwies. Die Zahl der Schnecken war noch viel größer, als es im ersten Moment den Anschein gehabt hatte. Mogens schrak instinktiv davor zurück, auf die grässlichen Geschöpfe zu treten, doch es erwies sich als nahezu unmöglich, auch nur einen Flecken Boden zu finden, der groß genug war, um seinen Fuß darauf zu setzen. Die Ekel erregenden Kreaturen zerplatzten mit leisen, widerlichen Geräuschen, wenn er darauf trat, und er konnte fühlen, wie seine Schuhsohlen klebrige Fäden hinter sich her zogen, wenn er den Fuß wieder hob. Sein Magen begann zu rebellieren, und tief in ihm erwachte eine Furcht, die uralt und viel zu archaisch war, als dass er sie mit Logik oder kühler Sachlichkeit bekämpfen konnte. Mogens war halb wahnsinnig vor Furcht und ganz eindeutig am Ende seiner Kraft und Beherrschung angelangt, als er endlich das Haus erreichte und sich mit einem großen Schritt auf die unterste der drei hölzernen Stufen vor der Eingangstür rettete. Vielleicht war der einzige Grund, aus dem er nicht hysterisch geworden war, Miss Preussler, die wenige Schritte hinter ihm war und in deren Gegenwart er sich eine solche Schwäche nicht leisten wollte.
    Graves hatte mittlerweile die Tür geöffnet und war bereits im Haus verschwunden. Mogens wollte ihm folgen – ermusste es, denn Miss Preussler kam nur wenige Schritte hinter ihnen herangewalzt, und sie machte nicht den Eindruck, als würde sie anhalten, nur weil ein völlig verstörter Professor von der Universität ihrer Heimatstadt leichtsinnigerweise die Treppe blockierte –, aber dann zögerte er doch noch einmal, ließ sich hastig in die

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