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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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eine arme, schutzlose alte Frau wie mich natürlich nicht in Gefahr bringen.« Miss Preusslers Stimme troff geradezu vor Hohn. »Ich denke, ich habe bewiesen, dass ich selbst auf mich aufpassen kann, Doktor Graves.«
    Mogens genoss den Anblick von Graves’ Gesicht in vollen Zügen.
    »Unmöglich!«, sagte er. »Ich kann diese Verantwortung unmöglich übernehmen und …«
    »Niemand verlangt von Ihnen, irgendeine Verantwortung für mich zu übernehmen«, sagte Miss Preussler. Ihre Stimme war plötzlich viel ruhiger, fast schon sanft, was für Mogens ein ganz unzweifelhaftes Zeichen darstellte, dass das Thema damit für sie erledigt war. »Ich werde Sie, Thomas und den Professor begleiten. Punktum.«
    Graves begann fast verzweifelt mit den behandschuhten Händen zu ringen. »Miss Preussler, ich bitte Sie, nehmen Sie Vernunft an!«, flehte er. »Diese Kreaturen sind möglicherweise nicht einmal die größte Gefahr, auf die wir dort unten stoßen. Wir wären unter Umständen noch nicht einmal in der Lage, Sie zu beschützen!«
    »Sie meinen, ich wäre nur eine Belastung für Sie«, sagte Miss Preussler. Sie schüttelte abermals den Kopf. »Aber auch was das angeht, kann ich Sie beruhigen, Doktor. Mit Gottes Hilfe bin ich diesen Unholden schon einmal entkommen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass dies ohne Grund geschehen ist. Dort unten sind noch andere Menschen, die der Rettung bedürfen.«
    »Und genau deshalb werden wir dort hinuntergehen, Miss Preussler!«, antwortete Graves in einem Tonfall, den er selbst für überzeugend und keinen Widerspruch duldend halten mochte, der in Mogens’ Ohren jedoch schon fast verzweifelt klang. »Wir werden tun, was immer in unserer Macht steht, das versichere ich Ihnen, aber …«
    »Ich komme mit«, unterbrach ihn Miss Preussler, und diesmal in einem Ton solcher Endgültigkeit, dass selbst Graves es nicht mehr wagte, ihr sofort zu widersprechen. »Es sei denn, Sie versuchen mich mit Gewalt daran zu hindern.«
    Graves’ Augen wurden schmal. »Führen Sie mich nicht in Versuchung, Miss Preussler«, sagte er leise.
    »In diesem Fall allerdings«, fuhr Miss Preussler ungerührt fort, »müsste ich mich auf der Stelle auf den Weg in die Stadt machen, um Sheriff Wilson von meiner Entdeckung zu berichten.«
    Es war bei der herrschenden Dunkelheit schlecht zu erkennen – aber Mogens glaubte regelrecht zu hören , wie auch noch das letzte bisschen Farbe aus Graves’ Gesicht wich. »Das würden Sie nicht tun!«, keuchte er.
    »Das müsste ich sogar«, korrigierte ihn Miss Preussler sanft. »Dort unten befinden sich Menschen in Lebensgefahr, Doktor Graves. Ich bin sogar verpflichtet, ihnen zu helfen. Und wenn ich das selbst nicht kann, so doch wenigstens, die Behörden zu informieren.«
    »Einen Fußmarsch in die Stadt?«, erwiderte Graves verächtlich und beging damit seinen allerletzten und schlimmsten Fehler, auf den es aber vermutlich schon gar nicht mehr ankam. »Sie wären allein bis Sonnenaufgang unterwegs, um das Büro des Sheriffs auch nur zu erreichen.«
    Miss Preussler lächelte zuckersüß. »Aber ich bitte Sie, mein lieber Doktor«, sagte sie. »Bis zum Lager Ihrer geschätzten Kollegen ist es allerhöchstens eine Stunde, selbst für eine alte Frau, die nicht mehr so gut auf den Beinen ist. Ich bin sicher, dort wird man mir gewiss eine Fahrgelegenheit in die Stadt zur Verfügung stellen.«
    Graves’ Gesicht erstarrte endgültig zu Stein. »Das ist Erpressung, das wissen Sie.«
    »Jetzt übertreib es nicht, Jonathan«, mischte sich Mogens ein. Er gab sich keine Mühe mehr, das schadenfrohe Grinsen von seinen Lippen zu verbannen. »So, wie ich die Sache sehe, nutzt Miss Preussler lediglich alle ihre Möglichkeiten.« Er grinste noch breiter. »Ein guter Bekannter hat mir vor nicht einmal langer Zeit erzählt, dass man die Regeln eben manchmal ändern muss, wenn man das Spiel sonst nicht gewinnen kann.«
    Sowohl Miss Preussler als auch Tom blickten ihn einen Moment lang nur verständnislos an, aber der Ausdruck in Graves’ Augen war nichts anderes als pure Mordlust. Er sog so heftig an seiner Zigarette, dass das Ende fast weiß aufleuchtete, schleuderte sie dann mit einer wütenden Bewegung zu Boden und hob den Fuß, um ihn sichtlich mit aller Kraft darauf niedersausen zu lassen. Stattdessen jedoch zog er plötzlich die Augenbrauen zusammen, machte einen fast komisch anmutenden halben Storchenschritt nach hinten und ließ sich noch aus der gleichen Bewegung heraus in

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