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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Pyramide von Gizeh, als es mir endlich klar geworden ist.«
    »Was?«, fragte Mogens. »Dass du den Verstand verloren hast? Großer Gott, sag mir nicht, dass wir hierher gekommen sind, um einem Hirngespinst hinterherzujagen«
    »Dass wir an der falschen Stelle gesucht haben«, antwortete Graves ungerührt. »Es ist der Sirius, Mogens. Wusstest du, dass die Pyramiden von Gizeh exakt nach seiner Position ausgerichtet sind?«
    »Nein«, antwortete Mogens. »Sind sie nicht. Diese Theorie wurde schon vor langer Zeit verworfen.«
    »Weil sie allesamt Ignoranten sind!«, ereiferte sich Graves. »Es ist wahr, Mogens! Nicht nach dem Sirius von heute, sondern der Stelle, wo er vor mehreren tausend Jahren gestanden hat. Warum wohl nennt man den Sirius auch den Hundsstern? Die Dogon haben es erkannt, und die alten Ägypter auch! Ihre Götter waren keine Hirngespinste . Sie waren real, lebende Wesen wie du und ich, und sie kamen vom Sirius.«
    Erschöpft brach er ab. Sein Blick wurde fordernd und nur einen Moment später zornig, als er nicht die Reaktion bekam, auf die er wartete. Dennoch sagte er ruhig: »Du glaubst mir nicht.«
    »Wie könnte ich auch«, antwortete Mogens. »Ich bin ja auch nur ein dummer Ignorant.«
    »Ich werde es dir beweisen«, sagte Graves und begann langsam seine Handschuhe abzustreifen.
    Miss Preussler stieß einen gellenden Schrei aus.

Was unter Jonathans Handschuhen zum Vorschein gekommen war, waren keine Hände. Es war nicht einmal menschliches Fleisch. Als Graves das schwarze Leder endgültig abstreifte, da platzte etwas hervor, was vielleicht im allerersten Moment noch an die grässliche Verhöhnung einer menschlichen Hand erinnerte; pulsierende, ungleich lange Stränge nur losen weißen Bündeln zusammen-gedrehter, zuckender augenloser Würmer. Dann, noch bevor der Schrecken, der mit diesem fürchterlichen Anblick einherging, wirklich nach seinem Herzen greifen konnte, platzten sie mit einem widerlichen nassen Geräusch auseinander wie eine Armee winziger, eigenständig denkender Kreaturen, die die Mauern ihres Gefängnisses gänzlich gesprengt hatten und der Freiheit entgegenstrebten. Wo Graves’ Hände sein sollten, da wuchsen nun lange, peitschende Bündel aus Millionen und Abermillionen dünner, nahezu farbloser zuckenderFäden, die hin und her wogten wie weißer Seetang in der Strömung eines unsichtbaren Ozeans.
    »Graves – großer Gott!«, keuchte Mogens. »Was … was hast du getan?«
    Miss Preussler stieß einen weiteren, wenngleich diesmal eher wimmernden Schrei aus und schlug die Hände vor den Mund, während Tom das, was aus Graves’ Armen hervorgekrochen war, nur mit einem abgestumpften Entsetzen betrachtete. Er genoss diesen grauenhaften Anblick sichtlich nicht zum ersten Mal.
    »Du wolltest einen Beweis, Mogens«, sagte Graves. Er warf die Arme in die Luft, wie ein Marktschreier, der zwei Sträuße besonders exotischer Blumen anpries, und sprang zwei- oder dreimal wie irre auf der Stelle. Mogens war sicher, dass er die Schwelle zum Wahnsinn in diesem Moment eindeutig überschritten hatte. »Du wolltest einen Beweis?«, kreischte er noch einmal. »Da hast du ihn! Reicht dir das?«
    »Ja«, murmelte Mogens entsetzt. »Das reicht mir.«
    »Oh, ich verstehe«, antwortete Graves mit einem neuerlichen, irren Kichern. »Du hältst mich für verrückt, nicht wahr? Du glaubst, ich hätte den Verstand verloren, habe ich Recht?« Er schüttelte heftig den Kopf und warf noch einmal die schrecklichen Hände in die Höhe, dann – ganz plötzlich – fiel sein wahnwitziges Benehmen von ihm ab wie ein Mantel, der seinen Dienst getan hatte und den er nicht mehr benötigte. Vielleicht auch wie eine Maske. »War es das, was du sehen wolltest?«, fragte er kalt.
    Weder registrierte Mogens die Worte wirklich, noch wäre er in der Lage gewesen, irgendwie darauf zu antworten. Sein Blick hing wie hypnotisiert an den schrecklichen, hin und her peitschenden Bündeln, in denen Graves’ Arme endeten, und sein Entsetzen hatte einen Grad erreicht, der ihn nicht mehr lähmte, sondern etwas in ihm zum Sterben zu bringen schien.
    »Tu das weg«, wimmerte er. »Tu das weg, Jonathan!«
    Graves gab einen sonderbaren Laut von sich – vielleicht ein abfälliges Lachen, vielleicht aber das genaue Gegenteil.Ganz langsam senkte er die Arme und hielt seine grässlichen Nicht-Hände vors Gesicht. Ein Ausdruck höchster Konzentration erschien auf seinen Zügen. Im allerersten Moment geschah nichts, dann jedoch

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