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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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bekam, zuckte er nach einigen Sekunden abermals mit den Achseln, wandte sich wieder umund drehte sich wahllos nach links, um loszugehen. Wie erwartet, vergingen auch jetzt wieder ein paar Sekunden, bevor er Schritte hinter sich hörte, doch sie brachen schon nach wenigen Augenblicken wieder ab. Als er hinter sich blickte, stellte er fest, dass Miss Preussler angehalten hatte. Das Mädchen hatte sich aus ihrer Umarmung gelöst und zerrte heftig an ihrer Hand. Sie gab nicht den mindesten Laut von sich, schüttelte aber immer hektischer den Kopf und gestikulierte dabei mit der freien Hand in die entgegengesetzte Richtung.
    »Anscheinend hat sie Angst vor dem, was dort vorne ist«, sagte Miss Preussler. »Vielleicht sollten wir besser auf sie hören.«
    Mogens blickte unentschlossen einen Moment in das grüne Licht am Ende des Korridors. Ihm persönlich machte hier unten so ziemlich alles Angst, aber er konnte in dem sonderbar fließenden Schimmer nichts Außergewöhnliches wahrnehmen. Was nichts bedeuten musste. Dieses unheimliche Licht zeigte einem alles, wenn man nur lange genug hineinsah. Und wer immer diese junge Frau auch war, sie kannte sich ganz bestimmt besser hier aus als sie. Dennoch sträubte sich alles in Mogens gegen die Vorstellung, ihrer beider Leben in die Hand einer jungen Frau zu legen, die ihnen nicht nur vollkommen unbekannt, sondern möglicherweise auch nicht mehr Herrin ihres Verstandes war.
    Der Boden unter seinen Füßen zitterte; ganz sacht nur, eigentlich war es eher ein rasches Erschauern und kein wirklicher Erdstoß. Dennoch drang in der nächsten Sekunde ein tiefes, mahlendes Knirschen aus der Erde herauf, ein Geräusch, das Bilder von kontinentalgroßen Gesteinsplatten vor Mogens’ innerem Auge entstehen ließ, die sich mit Urgewalt aneinander rieben, bis sie sich gegenseitig zermalmt hatten, von zusammenstürzenden Gebirgen und unterirdischen Feuerströmen, aus denen rot glühende Lava emporschoss. Mit einer enormen Willensanstrengung gelang es ihm, die Schreckensvisionen fast so schnell wieder abzuschütteln, wie sie entstanden waren, und möglicherweise hätte er es sogar geschafft, das ganze Beben als bloße Einbildung abzutun, dochunwirklicherweise war die Wirklichkeit gegen ihn. Hinter ihm sog auch Miss Preussler erschrocken die Luft ein, und von der Decke rieselten plötzlich kleine Staubfahnen. Irgendwo, sehr weit entfernt, stürzte etwas polternd um.
    »Also gut«, sagte er. »Nehmen wir den anderen Gang.« Er wollte unverzüglich loseilen, blieb aber schon nach dem ersten Schritt wieder stehen, als das Mädchen abermals erschrocken die Augen aufriss und sich schützend hinter Miss Preussler verbarg. Erst als die beiden Frauen wieder in den anderen Gang zurückgewichen waren und den Abstand zwischen sich und ihm auf ein gutes halbes Dutzend Schritte vergrößert hatten, beruhigte sie sich wieder.
    »Vielleicht sollten wir besser vorausgehen«, sagte Miss Preussler. »Aus irgendeinem Grund scheint sie Angst vor Ihnen zu haben, Professor.«
    »Kommt nicht in Frage«, entschied Mogens. Noch bevor Miss Preussler Gelegenheit fand, zu widersprechen – oder einfach zu tun, wonach ihr der Sinn stand, was ohnehin auf dasselbe hinauslief –, eilte er an ihr vorbei und in die jenseitige Fortsetzung des Korridors. Auch das war nicht besonders klug, wie er sich eingestehen musste. Miss Preusslers Vorschlag war durchaus vernünftig. Sie konnten schwerlich an jeder Abzweigung oder Kreuzung dieses komplizierte Manöver wiederholen, nur weil das Mädchen jedes Mal in Panik zu geraten drohte, wenn er ihm zu nahe kam. Mogens eilte trotzdem weiter. Es war ihm mittlerweile gleich, ob er sich klug verhielt oder nicht. Es war auch alles andere als klug gewesen, überhaupt hierher zu kommen.
    Erst als er das Ende des Gangs erreicht hatte, wurde er wieder langsamer und hob zugleich die linke Hand, damit Miss Preussler und ihre Begleiterin ebenfalls ihre Schritte verlangsamten. Hinter der Tür war schemenhaft zu erkennen, dass sich dort keine weitere Kammer erstreckte, sondern ein offensichtlich enorm großer, ausschließlich von dem lebendigen grünen Licht erhellter Raum. Der üble Geruch, der sie auf Schritt und Tritt begleitete, war ihm mittlerweile schon fast nicht mehr aufgefallen, nun aber schlug er ihm verstärktso ekelhaft entgegen, dass sein Magen zu revoltieren begann. Mogens verhielt für einen Moment im Schritt, atmete gezwungen tief ein und aus – was sich als keine wirklich gute Idee

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