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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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seine Brust bohrte. Er fand plötzlich keine Worte mehr und fuhr sich hilflos mit der Zunge über die Lippen.
    »Sie … Sie brauchen keine Angst zu haben«, murmelte er. »Ich tue Ihnen nichts.«
    Auch damit schien er es nur noch schlimmer zu machen. Die junge Frau begann leise zu wimmern und verbarg abermals das Gesicht hinter den Armen.
    »Das hat keinen Sinn«, sagte Miss Preussler leise hinter ihm. »Ich fürchte, das arme Ding versteht gar nicht, dass Sie ihm etwas sagen wollen. Ich habe es auch schon versucht. Vielleicht spricht sie unsere Sprache nicht.«
    Mogens fragte sich beiläufig, wie lange er eigentlich bewusstlos gewesen war, hielt seinen Blick dabei aber fest auf das Gesicht der jungen Frau gerichtet. Er sagte nichts – Miss Preusslers Theorie erschien ihm aus irgendeinem Grund nicht besonders überzeugend, aber er hatte das Gefühl, dass es schon allein der Klang seiner Stimme war, der sie nahezu zu Tode erschreckte –, hob aber, noch sehr viel langsamer als beim ersten Mal, den Arm, streckte behutsam die Hand in ihre Richtung aus und drehte sie ein paarmal hin und her, um ihr zu zeigen, dass sie leer und nicht etwa zur Faust geballt war, um sie zu schlagen. Das Wimmern der jungen Frau wurde nur noch lauter, und sie zitterte plötzlich am ganzen Leib. Mit einem Male wurde Mogens klar, dass er ihr Todesangst einjagte.
    Obwohl er sich mehrere Schritte von der jungen Frau entfernt hatte und nicht einmal in ihre Richtung sah, während er mit Miss Preussler redete, hockte sie noch immer zusammengekauert an der Wand und hatte die Arme über den Kopf gehoben wie ein Kind, das bestraft worden war und nun Angst hatte, noch weiter geschlagen zu werden. »Ich glaube nicht …«, begann er vorsichtig, wurde aber sofort von Miss Preussler wieder unterbrochen.
    »Lassen Sie es mich noch einmal versuchen. Vielleicht hat sie sich inzwischen ja ein wenig beruhigt.«
    Mogens musste sich nicht einmal umsehen, um zu wissen, dass das bestimmt nicht der Fall war. Aber was hätte er sagen sollen? Dass sie dieses arme Wesen auf keinen Fall mitnehmen konnten, weil es sie nur belasten, ja, möglicherweise sogar in Gefahr bringen würde? Zweifellos entsprach das den Tatsachen, und ebenso zweifellos wusste Miss Preussler dies genauso wie er – aber es auch nur auszusprechen hätte ihn auf die gleiche Stufe wie Graves gestellt, sowohl in Miss Preusslers Augen als auch in seinen eigenen. So hob er nur die Schultern, wandte sich demonstrativ – allerdings noch immer sehr langsam, um das Mädchen nicht durch eine unbedachte, schnelle Bewegung noch mehr zu verschrecken – ab und ging zum jenseitigen Ausgang der Höhle. Auch dahinter schimmerte das wohl bekannte, geisterhaft grüne Licht, doch Mogens nahm unterwegs trotzdem seine Lampe auf und kramte schon einmal in der Jackentasche, um die Schachtel mit den Schwefelhölzern im Bedarfsfall gleich zur Hand zu haben.
    Er brauchte sie nicht. Der nicht einmal anderthalb Meter hohe Durchgang führte in einen schmalen Stollen, der höher und breiter wurde, je mehr er sich seinem Ende näherte, das vielleicht fünfzehn oder zwanzig Schritte entfernt lag, und dabei immer mehr von seinen natürlichen Unebenheiten verlor, bis er schließlich in präzise errichtetes Mauerwerk überging. Auf dem letzten Stück waren die leuchtenden grünen Flechten sorgsam entfernt worden, aber Mogens konnte die Wandmalereien, die die monströsen Steinplatten verzierten,dennoch deutlich erkennen; denn hinter der sorgsam gemauerten Tür, in der der Korridor endete, brannte rotes und gelbes Licht. Als er näher kam, mischte sich der typische Geruch von brennendem Holz in den immer noch allgegenwärtigen Gestank, der die Luft verpestete.
    Mit klopfendem Herzen und geduckt, obwohl die Tür mindestens zwei Meter hoch war, trat Mogens in den angrenzenden Raum und hob vollkommen sinnloserweise die Laterne, als er sich aufrichtete und sich dabei rasch einmal um seine eigene Achse drehte.
    Der Raum war ebenso leer wie die große Halle, durch die sie oben gekommen waren, befand sich aber in einem viel weiter fortgeschrittenen Stadium des Verfalls. Ein Teil der Decke war eingestürzt und gab den Blick auf einen unregelmäßig geformten, schmalen Schacht frei, der offensichtlich bis zur Erdoberfläche hinaufführte, und auch die gegenüberliegende Wand zeigte deutliche Spuren gewaltsamer Zerstörung. Ein fast handbreiter Riss spaltete sie vom Boden bis zur Decke, und in dem flackernden rötlichen Licht, das den

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