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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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leeren Augenhöhle, und seine Bewegungen wirkten benommen und trotz aller Kraft fahrig und ziellos. Vielleicht hatte es sich an der Wand des Kanals den Schädel angeschlagen, oder seine Verletzung war schwerer, als es den Anschein hatte.
    Dennoch gelang es nicht einmal seinen und Miss Preusslers vereinten Kräften, das Mädchen vollends an Bord zu ziehen. Ganz im Gegenteil: Die junge Frau klammerte sich mit so verzweifelter Kraft an die niedrige Bordwand, dass ihre Fingernägel abbrachen und sich das Wasser auch hier blassrosa zu färben begann, und auch Mogens und Miss Preussler zogen und zerrten mit aller Gewalt. Trotzdem wurde sie, ganz langsam, aber auch mit schrecklicher Unaufhaltsamkeit, wieder zurück ins Wasser gezerrt. Das Boot begann sich immer weiter zu neigen, und Mogens spürte, wie seine Kräfte im gleichen Maße nachließen, wie die des Ungeheuers zuzunehmen schienen. Das Monster stieß jetzt ein lang gezogenes, schreckliches Heulen aus, in dem sich Wut, Schmerz und noch etwas anderes, Schlimmeres mischten, und als Mogens instinktiv in seine Richtung sah, überlief ihn ein neuerlicher, eisiger Schauer. Erst jetzt sah er, dass das Ungeheuer über und übermit Fäden des dünnen, glitzernden Tangs bedeckt war, die außerhalb des Wassers eher fleischfarben bis weiß zu schimmern schienen, statt schwarz, und ihn nun mehr denn je an Haar erinnerten. Die Berührung musste ihm unangenehm sein, denn es benutzte nur eine Hand, um das Mädchen festzuhalten, während es mit der anderen immer hektischer versuchte, das glitzernde Geflecht von seinem Gesicht und seinen Schultern zu reißen. Dennoch zerrte es unbarmherzig weiter am Bein des Mädchens. Das Boot neigte sich weiter, und Mogens wurde mit schrecklicher Gewissheit klar, dass der Ghoul die Barke eher zum Kentern bringen oder das Bein seines Opfers herausreißen würde, bevor er losließ.
    »Graves!«, schrie er verzweifelt. »Hilf uns!«
    Er rechnete auch diesmal nicht wirklich damit, dass Graves irgendetwas tun würde, um ihnen zu helfen, oder auch nur konnte . In der nächsten Sekunde jedoch tauchte Graves breitbeinig hinter ihnen auf. Er hielt eine der beiden Stangen in den Händen. Sie war zu lang, um damit zuschlagen zu können, doch das versuchte er auch gar nicht. Stattdessen stieß er dem Ghoul das stumpfe Ende mit solcher Gewalt ins Gesicht, dass mehrere seiner Reißzähne abbrachen und die grässliche Kreatur ein gepeinigtes Heulen ausstieß.
    Das Wesen ließ das Bein des Mädchens trotzdem nicht los.
    Ganz im Gegenteil gruben sich seine Krallen nur noch tiefer in ihr Fleisch, sodass das Bein heftig zu bluten begann. Graves fluchte, stieß noch einmal zu und zielte diesmal auf die Kehle des Ungeheuers. Er traf nicht so gut, wie er es vermutlich beabsichtigt hatte – seine verletzte Hand musste ihn stark behindern, ganz abgesehen von den höllischen Schmerzen, die er zweifellos litt –, doch der Stoß zeitigte dennoch Wirkung. Das Monster ließ endlich das Bein seines Opfers los, warf beide Arme in die Luft und tauchte mit einem gurgelnden Laut unter, und Graves stieß mit seiner Stange nach ihm, um es noch weiter unter Wasser zu drücken und womöglich zu ertränken.
    »Schnell jetzt«, schrie er. »Zieh! Ich weiß nicht, wie lange ich ihn halten kann!«
    Mogens warf sich mit verzweifelter Kraft zurück, und gemeinsam mit Miss Preussler gelang es ihm tatsächlich, die junge Frau ein gutes Stück weit über die Bordwand zu ziehen. Aber nicht vollständig. Nicht einmal so weit, wie er erwartet hätte. Obwohl die Bestie ihr Bein losgelassen hatte, schien irgendetwas sie noch immer festzuhalten.
    Die Stange in Graves’ Händen begann immer heftiger zu zucken und hin und her zu peitschen. Es war ihm gelungen, den Ghoul tatsächlich bis auf den Grund des Kanals hinabzudrücken und dort festzuhalten, aber die Bestie wehrte sich mit verzweifelter Kraft. Graves’ Gesicht war vor Anstrengung verzerrt, aber es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis er die Stange loslassen musste oder sie ihm einfach aus den Händen gerissen wurde.
    Mogens verdoppelte seine Anstrengungen noch einmal, aber es fiel ihm immer schwerer, das Mädchen zu halten. Keuchend beugte er sich vor und sah endlich, was das Mädchen festhielt: Seine Beine hatten sich in dem wehenden Tang verfangen, der sich dünn wie Haar, aber in gewaltiger Menge um seine Knöchel gewickelt hatte.
    Mogens warf sich mit einer entschlossenen Bewegung vor, griff mit beiden Händen nach dem glitzernden

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