Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
schlimm genug. Mogens registrierte voller Entsetzen, wie sich das Ungeheuer zum Sprung spannte. Das Boot hatte sich mittlerweile ein Stück vom Ufer entfernt und wurde schneller, aber längst nicht schnell genug. Selbst Mogens hätte sich zugetraut, es vom Ufer aus mit einem beherzten Satz zu erreichen – für den Ghoul konnte es kaum mehr als ein großer Schritt sein.
    Die Bestie stieß sich ab und landete mit solcher Wucht unmittelbar neben Graves in der Barke, dass das Boot zu wanken begann und sich bedrohlich auf eine Seite legte. Mogens musste sich mit aller Kraft an die Stange klammern, um nicht über Bord zu stürzen, und auch der Ghoul kämpfte heulend und mit wild fuhrwerkenden Armen um sein Gleichgewicht. Seine Krallen zischten wie Messer durch die Luft, verfehlten Graves’ Gesicht um Haaresbreite – und trafen das tote Kind, das das Mädchen in den Armen hielt! Es wurde ihr einfach entrissen, flog im hohen Bogen durch die Luft und klatschte meterweit entfernt ins Wasser.
    Die junge Frau schrie auf, als hätten die rasiermesserscharfen Krallen sie selbst getroffen, wirbelte herum und streckte mit einer verzweifelten Bewegung die Arme aus, wie um es aufzufangen, und Mogens war felsenfest davon überzeugt, dass sie sich im nächsten Sekundenbruchteil ins Wasser stürzen und hinter ihrem Kind herschwimmen würde. Stattdessen fuhr sie mit noch spitzerem, gellenderem Schrei herum und warf sich mit weit ausgebreiteten Armen gegen den Ghoul. Ihre Fingernägel zerkratzten sein Gesicht, rissen tiefe, blutende Furchen in die lange Schakalschnauze und löschten eines der glühenden Augen aus, und ihr Anprall war so gewaltig, dass sie den ohnehin wankenden Koloss endgültig von den Füßen riss. Haltlos kippte er nach hinten und fiel über Bord. Aber im letzten Moment schlossen sich seine gewaltigen Arme um das Mädchen, sodass er es mit sich riss.
    Mogens streckte ebenso entsetzt wie vergeblich die Arme aus, aber er war viel zu weit entfernt, um noch irgendetwas tun zu können. In einer gewaltigen Woge aus aufspritzender Gischt verschwanden das Ungeheuer und die junge Frau im Wasser.
    Mit einem einzigen Satz war Mogens in der Mitte des Bootes, und auch Miss Preussler ließ ihre Stange los und balancierte hastig über den schwankenden Grund heran. Fast verzweifelt beugte Mogens sich vor, konnte aber im ersten Moment nichts anderes erkennen als schäumendes Wasser und zwei formlose Schatten, die irgendwo unter seiner Oberfläche miteinander zu ringen schienen. Der Kanal schien zu kochen.
    Miss Preussler warf sich vor und versuchte nach dem Mädchen zu greifen, aber Mogens riss sie zurück. Ohne es begründen zu können, wusste er einfach, dass sie dieses Wasser nicht berühren durften.
    Plötzlich tauchte eine Hand aus den Wellen auf. Mogens griff ganz automatisch danach, zog mit aller Kraft und schaffte es irgendwie, Kopf und Schultern der jungen Frau über Wasser zu bekommen, und griff auch mit der anderen Hand zu, aber das Mädchen machte keinerlei Anstalten, ihm zu helfen, sondern begann sich ganz im Gegenteil mit derselben irrationalen Kraft zu wehren, mit der manche Ertrinkenden ihre Retter mit ins Verderben reißen, und tatsächlich war es plötzlich Mogens, der für einen Atemzug darum kämpfte, nicht über Bord gerissen zu werden. Erst als auch Miss Preussler abermals nach ihrem Arm griff und ihm half, gelang es ihnen mit vereinten Kräften, sie aus dem Wasser und halbwegs an Bord zu ziehen.
    Plötzlich aber wurde das Mädchen mit einem harten Ruck zurückgerissen. Ein keuchender Schmerzlaut kam über seineLippen, und selbst Mogens und Miss Preussler wurden wieder ein Stück nach vorne gerissen. Eine gewaltige Pranke hatte sich um den Unterschenkel des Mädchens gekrallt und versuchte es mit brutaler Kraft zurückzureißen.
    »Jonathan! Hilf uns!«, keuchte Mogens.
    Graves hatte sich mittlerweile aufgerappelt und rumorte irgendwo hinter ihnen herum, aber er dachte offenbar gar nicht daran, ihnen zu helfen. Wahrscheinlich war er einfach zu schwer verletzt. Mogens verdoppelte seine Anstrengungen, das Mädchen zu sich über die Bordwand zu ziehen, und auch Miss Preussler zerrte und zog nach Kräften. Der Ghoul umklammerte ihr Bein noch immer mit unerbittlichem Griff, aber seine Kraft war nicht so unwiderstehlich, wie Mogens befürchtet hatte. Das Ungeheuer wirkte benommen. Rings um seinen Schädel herum kochte das Wasser noch immer, aber der Schaum hatte sich rosa gefärbt. Blut quoll in Strömen aus seiner

Weitere Kostenlose Bücher